Staatsoper: Gallische Druiden-Damen deklassieren die Römer

Edita Gruberova und Elina Garanca begeisterten das Publikum.
Edita Gruberova und Elina Garanca begeisterten das Publikum.(c) APA (Pfarrhofer)
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Edita Gruberova und Elina Garanca begeisterten das Publikum bei Bellinis „Norma“ auch ohne Inszenierung.

Ein dramatisches Terzett mit Chor als fulminanter Aktschluss: Soeben erfuhr die gallische Priesterin Norma, dass ihr geheimer römischer Geliebter Pollione sie wegen der jungen Adalgisa verlassen will. Rasend schwört sie ihm blutige Rache ins Gesicht.

Das Orchester legt sich beim erregten Nachspiel voll ins Zeug, der Sopran ringt mit schmerzverzerrtem Gesicht die Hände, der Mezzosopran blickt sie entsetzt an – nur der Tenor nimmt teilnahmslos die Brille ab und blättert im Klavierauszug zum nächsten Einsatz... Auch Sänger gehen also, man sah es halb amüsiert, halb enttäuscht, ganz unterschiedlich mit dem letztlich seltsamen Umstand einer konzertanten Opernaufführung um. Vor bald drei Jahren hatte diese Nicht-Inszenierung von Bellinis „Norma“ an der Wiener Staatsoper Premiere, nun steht sie, in wichtigen Rollen neu besetzt, wieder auf dem Spielplan – aber wie immer für und wegen Edita Gruberova.

Zu Recht. Denn als Norma braucht sie weder Bühnenbild, Kostüm noch Maske, um sich voll mit Gesangslinie wie Charakter zu identifizieren und auch darstellerisch alle ihr zu Gebote stehenden Mittel in die Waagschale zu werfen. Das ergibt eine enorme Bandbreite. Wenn auch mittlerweile mit leicht verhärtetem Klang und nicht mehr stets perfekt intoniert, weiß sie, wo nötig, unvermindert imposante dramatische Töne auszustoßen. Trotzdem erreicht sie größte Intensität dort, wo sie in entrückter Höhe raffinierte Pianissimo-Phrasen spinnen, mit an- und abschwellenden Tönen vokale Schwerelosigkeit suggerieren kann, wo anderen längst der Absturz drohte.

Freilich werden auch Mängel hörbar: wenn Gruberova diese stilgerechte vollkommene Musikalisierung des Ausdrucks aufgeben muss, in der Tiefe wegen stimmlicher Grenzen in harten Sprechgesang verfällt und dabei übers theatralische Ziel hinausschießt. Die aufregendsten und gleichzeitig schönsten Momente der von Friedrich Haider sachkundig und einfühlsam geleiteten Aufführung waren demgemäß im Duett mit Adalgisa zu hören: Denn die außerordentliche Elina Garanca, Belcanto-Fürstin von eigenen Gnaden, kann auch in dieser Partie bis in Sopranregionen eine bruchlose Fülle des Wohllauts verströmen, Volumen wie Agilität zeigen, dabei sensibel schattierend auf Situation wie Partnerin eingehen – und selbst mit gelegentlichem Blick in die Noten mühelos eine Bühnenfigur glaubhaft machen.

Hellauf begeistertes Publikum

José Cura fiel dagegen als baritonal tönender Pollione leider doppelt ab, absolvierte die zugegeben nicht leicht zu besetzende Partie phlegmatisch, ungerührt und in einer Art Allerwelts-Verismo, die wenig Sinn für Melodien als stilecht expressive Sinneinheiten verriet: eine Enttäuschung. Neben dem tadellosen Chor dafür herrschte pure Verlässlichkeit in den übrigen Partien. Das Publikum war hellauf begeistert. wawe
Noch am 21., 27.11., 1., 7., 12.12.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.11.2007)

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