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Die Jodel-Diva

Eine Schweizerin, die das Jodeln von Cowboys gelernt hat: Erika Stucky erklärt, was so selbstmörderisch am Alpengesang ist und warum sie das dirndl im Kasten lässt.

Die Biografie der Edelbardin Erika Stucky hat einiges aufzuweisen. Geboren in San Francisco standen ihre ersten Lebensjahre unter dem Hippie-Motto: „You can do, whatever you want.“ Dieser Maxime ist sie bis heute treu geblieben. Obwohl sie als Siebenjährige von den Schweizer Eltern aus dem US-amerikanischen Flower Power-Ambiente wieder zurück in die „biedere“ Schweiz verpflanzt wurde.

Diesen „Kulturschock“ hat die Musikerin mittlerweile kreativ umgesetzt. Mit großer Leichtigkeit und enormer stimmlicher Präsenz schlüpft Stucky abwechselnd in die Rolle eines Alpengirlies, dann wieder in die einer Jazzdame. Seit geraumer Zeit widmet sich die Vokalistin dem Jodeln. In ihrem aktuellen Programm bringt sie den archaischen Gesang der Berge erstmals auch auf die Bühne.

Wie kam es zu Ihrer Leidenschaft fürs Jodeln?

Ich kannte Jodeln schon sehr früh von den amerikanischen Cowboys. Sogar Jeanswerbungen waren mit Cowboy Yodels unterlegt! Und in den Looney Tunes-Cartoons gibt es immer einen, der jodelt. Mit zehn Jahren, als ich mit meinen Eltern im Wallis in der Schweiz lebte, habe ich es zum ersten Mal auf einer Bühne probiert. Das war aber noch eine eher lustige Touristen-Variante.

Was ist das Spezifische am Schweizer Jodeln?

Im Vergleich zu Amerika oder dem Musikantenstadl hat das ursprüngliche „zäuerlen oder jutzen“ (Bezeichnung für einen Ur-Jodel) in der Schweiz etwas sehr Trauriges und Archaisches. Das liegt wahrscheinlich an seiner Entstehungsgeschichte. Ein Zäuerli oder Jutz IST auch ein Ausdruck der gequälten Seele. Das deutet sich rein musikalisch an, durch die abfallenden Schluss-Sequenzen. Diese Abwärtsspirale war für mich immer gleichzeitig erschreckend und anziehend.

Was hat Ihre Zäuerli-Recherche noch ergeben?

In der Schweiz zäuerlen vor allem Männer. Das Jodeln hier ist oft sehr melancholisch und mit einer gewissen suizidalen Note. Deshalb habe ich meine Jodel-Tour auch so genannt. Mich interessiert nicht der fröhliche Dirndlkleid-Aspekt beim Jodeln, sondern die traurige Seite dabei. Schweizer Jodeln hat eine Tiefe, wie sie auch im amerikanischen Südstaaten-Blues zu finden ist.

Ihr jüngst bei der Berlinale gezeigter Dokumentarfilm „Heimatklänge“ handelt ebenfalls vom Jodeln. Außerdem gewähren Sie Einblicke in Ihr Privatleben. Wie hat Regisseur Stefan Schwietert das geschafft?

In dem Film geht es in erster Linie um musikalische Fragen. Das hat Schwietert wohl die Tür geöffnet. Ansonsten gebe ich ungern Privates preis, außer dass ich mit meiner Familie in der Nähe von Zürich lebe. Früher sind wir noch zwischen Brooklyn und Zürich hin- und hergependelt, aber das muss ich meiner inzwischen 13-jährigen Tochter nicht mehr antun.

Wie sehr vermischen sich die privaten und musikalischen Sphären bei Ihnen?

Nicht so sehr, wie man vielleicht vermutet. Meine Tochter hört mich selten daheim proben. Ich bin ja auch noch Mama und „Unternehmerin in eigener Sache“. Manchmal habe ich ein schlechtes Gewissen, weil ich nicht so stundenlang übe wie andere Kollegen. Aber ich bin ja keine Pianistin, die ständig Fingerübungen machen muss. Und 120 Konzerte pro Jahr sind Training genug. Mir liegt viel an der Unmittelbarkeit. Wenn ich vor einem Konzert die Nacht durchgezecht habe, dann hört man das halt.

Sie haben in Paris Gesang studiert und eine Schauspielausbildung absolviert. Was haben Sie dabei über sich selbst erfahren?

Vor allem, dass man sich auf der Bühne nicht verleugnen kann. Mit Publikum potenziert sich alles. Mir ist mittlerweile die Traurigkeit genauso wichtig wie die Komik. Gegen das Komische in mir habe ich mich lange gewehrt. Meine Schauspiellehrer haben mir immer zugeredet, die komische Seite zu akzeptieren. Inzwischen kann ich das.

Sie haben auch Erfahrung als Straßenmusikerin. Wie war das für Sie?

In Paris hab ich die Straße als Proberaum gesehen. Mit meiner ersten Band, The Sophisticrats, sind wir in Deutschland immer wieder auf die Straße gegangen zum Üben. Das hat uns sehr geschärft, und ich zehre heute noch von der Unmittelbarkeit. Das Straßenpublikum ist unbestechlich. Da entscheiden Sekunden.

Wie schätzen Sie die Wiener Musikszene ein?

Ich bin sehr gern in Wien und habe einige Lieblingsformationen hier, wie zum Beispiel das Vienna Art Orchester oder Mnozil Brass. Irgendwann ziehe ich nach Wien. Die Stadt ist so angenehm schmuddelig.

Was dürfen wir uns von Ihrem Wiener Konzert erwarten?

Die Menschen, die mich kennen und mich wegen meiner musikalischen Kargheit mögen, werden genauso auf Ihre Kosten kommen wie Fans vom Schweizer Blues. Und: Ein Super-8 Filmchen hab ich auch wieder mit dabei!

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