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Pop und Weltrettung: Limousine, Privatjet, Champagner, aber den Planeten retten!

BMG
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"Planet Earth", das neue Album von "Prince", überzeugt als ökologisches Manifest gar nicht, als Bekenntnis zur Sinnlichkeit schon.

„Ah things ain't what they used to be. What about this overcrowded land? How much more abuse from man can she stand?“, flehte Soul-Riese Marvin Gaye glaubhaft in „Mercy Mercy Me“ 1971. Sein Nachfahre Prince konstatiert 26 Jahre später Ähnliches: „50 years from now on, what will they say about us here? Did we care for the water and the fragile atmosphere?“ Der Haken dabei? Prince isst nicht bloß ab und zu eine Banane im Winter. Sein royaler Lebensstil giert nach weit mehr, sein „Carbon Footprint“ gleicht wohl dem einer mittleren Kleinstadt. Da nützen all die zart gesetzten Kiekser im zitierten Titeltrack seines neuen Albums „Planet Earth“ nichts – Prince als ökologischer Mahner, das ist eine Marotte à la „Millionär ernährt sich von Packerlsuppe“.

Zum Glück bleibt er im Weiteren bei Erkenntnissen eigener Feldforschung. Etwa in „The Guitar“: Zu einem delikaten, ein wenig an U2 gemahnenden Riff erzählt das gewaltig ausgreifende Stück von den Härten seines Lebens als Star – und von der Liebe zum Saiteninstrument, die womöglich stärker ausgeprägt ist als die zu diesem oder jenem Fräulein. Von zehn neuen Liedern sind zwei Drittel schmachtende Balladen, die zum Betörendsten zählen, das dieser erfahrene Verführer bisher produziert hat. Das sanft pulsierende „Future Baby Mama“ etwa oder „Mr. Goodnight“: Auch als mittelalterlicher Liebhaber verzehrt sich der kleingewachsene Erotomane noch danach, dem Karmasutra ein paar Zusatzkapitel zu dichten.

Musikalisch wird die Sinnlichkeit breit ausgewalzt. In „Somewhere Here On Earth“ charmieren Trompete, Geigen, Akustikpiano und edles Schallplattenknistern. „Mr. Goodnight“ entwirft überhaupt die ultimative prinzliche Verführung. Mit der Limousine wird die Angebetete abgeholt, im Privatjet süffelt sie Moët, und endlich im Schloss angekommen, findet sie drei Kleider vor. Jetzt läutet das Telefon und der Hausherr erkundigt sich nach ihrer Wahl, um flugs im dazupassenden Outfit zu erscheinen. Nach einem Film geht es ab in den Pool, wo der Wasserfall ihre letzten Bedenken auflösen wird, und wenn es dann so weit war, hat sie ihr Ziel erreicht: All ihre Freundinnen werden sie dafür hassen...

Prince, im selben Jahr geboren wie Michael Jackson und Madonna (1958), versteht es auch auf der Tanzfläche, den weiblichen Konkurrenzkampf anzuheizen. So mit dem ekstatischen Disco-Funk-Stomper „Chelsea Rodgers“, sicher unter seinen drei besten Dancefloor-Nummern. Auch die zart psychedelischen Anmutung von „The One U Wanna C“ überzeugt.

Warum schädigt er die Musikindustrie?

Insgesamt ist „Planet Earth“, was man in England einen „Grower“ nennt, ein Album, dessen Wirkung mit jedem Hören wächst. Warum Prince es an die Leser des britischen Sonntagsblatts „Mail On Sunday“ verschenkt hat, bleibt rätselhaft. Der britischen Musikindustrie gingen so Umsätze in dreistelliger Millionenhöhe flöten. Der durch Plattenverkäufe reich gewordene Künstler düpiert so die Quelle seines Wohlstands. Die Firma Sony-BMG kommentierte tapfer: „Wir werden Prince auch in Zukunft unterstützen!“ So klingen sonst nur betrogene Eheleute, die die Hoffnung gegen alle Vernunft nicht und nicht aufgeben wollen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.07.2007)

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