Malta: Bombenweine, ungelogen

Sieh an, die Sonneninsel hat echte Trauben-Kernkompetenz!

Die Engländer haben uns eini ges hinterlassen, das ganz in Ordnung ist - unsere zweite Landessprache etwa oder eine gewisse Disziplin. Aber in Sachen Landwirtschaft waren sie quasi unfruchtbar." Mark Miceli-Farrugia, Eigentümer von Meridiana, dem größten Weingut auf Malta, hat es sich zur Aufgabe gemacht, auf dem Gebiet des Weinbaus das Erbe der 1964 beendeten britischen Kolonialzeit zu überwinden und den maltesischen Wein europatauglich zu machen. Der EU gehört Malta ja seit der letzten Erweiterung 2004 an.

"Früher gab es bei uns so gut wie keine Vorschriften für die Weinherstellung. Unsere Rebsorten Gellewza und Ghirghentina sind Tafeltrauben - und da musste aufgezuckert werden", sagt Miceli-Farrugia. "Säure und Geschmacksstoffe wurden dazugepanscht, und dass dieses Gebräu dann Wein hieß, war schon ein starkes Stück."

Die großen Weinproduzenten Maltas importieren noch heute im großen Stil Trauben aus Italien, vor allem aus dem Friaul. Gepresst wird auf Malta. "Aber in Zukunft müssen Importtrauben auf dem Flaschenetikett ausgewiesen werden, außerdem darf auch kein Jahrgangs- oder Sortenwein mehr vorgetäuscht werden", freut sich Miceli-Farrugia,  

Die 400.000 Malteser sind, ihre Sprache verrät es, eine arabische Nation, zugleich aber zu 100 Prozent Katholiken. Anders als ihre muslimischen Verwandten lieben die Malteser Wein, und die Touristen, die britischen zumal, die Malta als Ziel für Kultur- und Sonnenurlaube schätzen, bechern ebenfalls heftig mit. Woher so viel Wein nehmen auf einer während der regenlosen Sommermonate ausgedörrten Insel, wo die Landwirtschaft vernachlässigt wird? Weinimport war bis zum EU-Beitritt keine kostengünstige Lösung, jede Flasche war mit zwei Euro Zoll belegt.

Die Zollschranke ist gefallen, billiger ausländischer Wein erobert die Regale in maltesischen Supermärkten, und die Übergangsfristen, die Ex-EU-Kommissär Franz Fischler den maltesischen Weinproduzenten zugestanden hat, gehen dem Ende zu. "Wine produced in Malta from grapes harvested in Italy" muss künftig auf den Flaschen stehen, die meisten Restaurants haben in ihren Weinkarten bereits eine eigene Seite mit dieser sperrigen Überschrift.

Meridiana braucht solche Sonderbestimmungen nicht. Auf dem 19 Hektar großen Weingut werden seit gut zwei Jahrzehnten nur jene Trauben gepresst, die rings um den hübschen Gutshof mit Natursandsteinfassade wachsen. Die Investitionen in Landkauf, Tanks und Maschinen hat zur Hälfte Miceli-Farrugia aufgebracht, früher Manager beim kanadischen Spirituosenmagnaten Seagrams, zur anderen Hälfte der Chianti-King Marchese Piero Antinori.

Schon dem Namen nach sind die Meridiana-Weine göttlich: "Isis" heißt ein Chardonnay, "Bel" (nach dem phönizischen Gott Baal) ein Syrah, "Melqart" (phönizischer Gott der Seefahrer) eine Cuv©e aus Merlot und Cabertnet Sauvignon. "Celsius" und "Nexus" sind ebenfalls Rotweine, ein Barrique-Chardonnay heißt "Mistral" nach dem Nordwestwind, der Malta den Winterregen bringt. Und 2007 kommt ein halbtrockener Weißwein namens "Astarte" dazu, nach der assyrischen Göttin der Liebe.

"Malta bietet dem Weinbau ideale Bedingungen", sagt Roger Aquilina, Önologe bei Meridiana, "Wir haben keinen Frost, keinen Hagel, und keine Regenfälle vor und während der Lese. Anders als bei Ihnen in Österreich ist auf Malta jedes Jahr ein gutes Weinjahr", schwärmt Aquilina, der im bayerischen Geisenheim Weinchemie und Getränketechnologie studiert hat. "Aber wir müssen künstlich bewässern und die Pflanzen während der Blüte im März vor dem Wind schützen. Als wir das einmal nicht beachteten, hatten wir 60 Prozent Verluste durch Windschaden."

Das war in der Anfangsphase, heute ist Meridiana eine etablierte Marke, kleine Mengen werden auch exportiert. Rund 100.000 Flaschen werden jährlich abgefüllt, 80.000 kommen in den Verkauf. Trotz Ab-Hof-Preisen von zwölf bis 22 Euro ist Meridiana-Wein schnell ausverkauft; Miceli-Farrugia hat daher sechs zusätzliche Hektar auf der Nachbarinsel Gozo erworben und will ab 2007 Wein von diesen neuen Lagen anbieten.

Apropos Lage: Die Meridiana-Kulturen unweit der alten Hauptstadt Mdina dienten bis in die 60er-Jahre weniger friedlichen Zwecken. "Früher befand sich hier der englische Militärflughafen, der im zweiten Weltkrieg oft bombardiert wurde. Als wir den Boden aufbereiteten, gruben wir zwei deutsche 250-kg-Stuka-Fliegerbomben aus, die noch scharf waren!" Im Wortsinn Bombenweine.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.