Im Schlamm der Macht

Dumpfe Machtkämpfe braucht die Wiener Kunstszene wie einen Kropf.

Atmen Sie tief ein. In Wiens Kunstszene ist der Herbst angebrochen. Mit einer wahren Schlammschlacht der Halbwahrheiten. Und einem Hoffnungsschimmer. Der kommt, wie immer, zum Schluss. Ansonsten geht's um Macht und Moneten. Nur nicht um eins, die Kunst.

Also, tief einatmen. Der Albertina-Direktor merkt, dass er zu viel Wechselausstellungsfläche hat – und baut trotzdem weiter aus. Um Dauerausstellungsflächen für die Privatsammlungen moderner und zeitgenössischer Kunst zu garantieren, mit deren Gemälden die Albertina zum austauschbaren Universalmuseum wird. Großes Plus: Die weltberühmte Grafik darf im Depot bleiben. Oder unbeachtet verliehen werden. Bitte die Luft noch ein bisschen anhalten.

Denn jetzt kommt der Blockbusterangriff gegen die auch nicht ganz unaggressive Konkurrenz: Im Mumok sei seit Jahrzehnten keine Moderne-Ausstellung mehr zu sehen gewesen, ätzt der Albertina-Chef. Hoffentlich zumindest im Wissen darüber, dass gerade sein eigenes Haus als Leihgeber der Mumok-Schau „Laboratorium Moderne“ auftritt. Aber wahrscheinlich gelten für den Albertina-Direktor nur Großretrospektiven wie etwa die auf Yves Klein, klar, immerhin schon ein paar Monate her, dass die im Mumok gelaufen ist.

Sie wollen endlich ausatmen? Aber nicht doch. Jetzt nimmt uns noch die Secession den Atem! Nicht dass sich in Wien nur Museumsdirektoren öffentlich balgen müssen, auch die Künstler tun das anscheinend gerne. Es geht um eine durch massive Rücktritte sichtbar gemachte Unzufriedenheit mit der Präsidentin, die aber Neuwahlen zu fürchten scheint wie der Teufel das Weihwasser. Stattdessen muss man sich jetzt mit Wörtern wie Diffamierung, Putsch, Intrige beschäftigen – und mit den völlig faden Spitzfindigkeiten der Secessions-Vereinsstatuten. Diese sinnlose Kraftanstrengung um die Macht braucht Wiens Kunstszene wie einen Kropf.

Deshalb jetzt der Hoffnungsschimmer (mit kleiner Finte): Wiens weitgehend in der Unsichtbarkeit agierende Medienkunstszene strengt sich gerade ungemein professionell an, bemerkt zu werden. Das junge Festival „Paraflows“ will ein frischer frecher Stachel sein zwischen den beiden Altfestivals Ars Electronica und Steirischer Herbst.

Dass sich diese eigentlich bewusst an einem sehr zentralen Ort der Stadt, im Quartier21 des MQ, angesiedelte Medienkunstszene für ihre Öffnung gegenüber einem breiten Publikum gerade die abgelegenste Festung schlechthin, den Flakturm im Arenbergpark, ausgesucht hat, verspricht zumindest interessant zu werden. Gemessen am Erfolg des Festivals wird man dann entweder an der Naivität oder Intentionen der Veranstalter oder ABER dem Standort „Quartier21“ zu zweifeln haben.

So. Jetzt ausatmen. Schnell.


almuth.spiegler@diepresse.com("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.08.2007)

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