Bushs wirkungsloser „Krieg gegen den Terror“

Der US-Präsident führt den falschen Krieg und hat die USA seit dem 11. September 2001 nicht sicherer gemacht.

Der „Krieg gegen den Terror“ war schon eine Woche nach den Anschlägen vom 11. September 2001 verloren. Denn man hatte sich in Washington von Anfang an entschlossen, diesen Krieg nie ernsthaft zu führen. Die neokonservative Clique rund um Präsident George W. Bush (Dick Cheney, Donald Rumsfeld, Paul Wolfowitz & Richard Perle) hatte längst anderes im Sinn.

Bei einem Treffen im Weißen Haus sagte der amerikanische Präsident am 19. September 2001 zu CIA-Direktor George Tenet: „Ich will alles über die Verbindungen zwischen al-Qaida und Saddam wissen.“ Das Weiße Haus war bereits auf der falschen Fährte: Sobald al-Qaida und die Taliban in Afghanistan „erledigt“ seien, werde man sich dem Irak zuwenden.

Nun, fast sechs Jahre nach dem 11. September 2001, nachdem hunderte Milliarden Dollar in Kriege am Hindukusch und am Tigris geflossen sind und tausende Menschen im „Krieg gegen den Terror“ ihr Leben lassen mussten, wird die Frage „Ist Amerika sicherer geworden?“ im jüngsten Bericht der US-Geheimdienste mit einem klaren Nein beantwortet. Das National Intelligence Council, das höchste Beratungsgremium der US-Nachrichtendienste, hat in seinem ersten „Bericht über die Terrorbedrohung für die Heimat“ seit dem 11.September 2001 festgestellt, dass al-Qaida wieder erstarkt ist und in den Stammesgebieten in Pakistan sowie im Irak neue Rückzugsräume gefunden hat.

Im Klartext: Die sechs Jahre „Krieg gegen den Terror“ haben überhaupt nichts gebracht – im Gegenteil, der Krieg gegen den Irak hat alles nur noch schlimmer gemacht. In der Studie heißt es, „al-Qaida in Mesopotamien“ sei der „sichtbarste und durchschlagskräftigste“ Klon der Terrororganisation von Osama bin Laden. Al-Qaida im Irak helfe dem Terrornetzwerk auch, „eine breitere Schicht von extremistischen Sunnis zu mobilisieren, Mittel herbeizuschaffen und Aktivisten zu rekrutieren und zu indoktrinieren“. Irak ist zum cause célèbre für extremistische Islamisten geworden.

Die Rechnung der US-Regierung „Den Terror in Übersee bekämpfen, um ihn von unseren Küsten fernzuhalten“ geht nach dem Bericht der Geheimdienstexperten ebenfalls nicht auf: „Al-Qaida erweitert die Fähigkeiten, in Amerika loszuschlagen.“ George W. Bush hat zwar den Analysen seiner Sicherheitsdienste widersprochen („Al-Qaida ist heute stark, aber nicht annähernd so stark wie vor dem 11. September 2001“), aber der Präsident, dessen Amtszeit in 18 Monaten endet, hinterlässt seinem Nachfolger eine Situation, in der die Lage im Irak hoffnungslos erscheint, Afghanistan ins Chaos abgleitet und der Atommacht Pakistan ein ähnliches Schicksal droht.

Der 44. Präsident der Vereinigten Staaten, der am Dienstag, dem 20. Jänner 2009, ins Weiße Haus einziehen wird, wird erkennen müssen, dass man im „Krieg gegen den Terror“ zuallererst die „Hearts and Minds“ – die Herzen und Hirne – der Menschen in den islamischen Gesellschaften gewinnen muss. Solange diese den „Krieg gegen den Terror“ als gegen sie gerichtete Wiederauflage der Kreuzzüge verstehen, werden sie sich kaum mit dem Westen gegen die Extremisten in ihrer Mitte verbünden. Der nächste Präsident wird neue Allianzen schmieden müssen.

Zweite Erkenntnis für den kommenden Präsidenten: Im „Krieg gegen den Terror“ braucht es Kriminologen, nicht Kampfeinheiten. Wer der nihilistischen Gewalt mit Cruise Missiles und Bomben begegnet, kann nicht gewinnen.

Drittens: Der nächste Präsident der Vereinigten Staaten muss aus dem Irak abziehen, um den Jihadisten das derzeit wichtigste Rekrutierungsargument zu nehmen. UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon hat Recht, wenn er vor einem „abrupten Abzug“ der US-Truppen aus dem Irak warnt. Aber es gibt ebenso wenig gute Argumente für ein prolongiertes Bürgerkriegs-Babysitting durch 160.000 US-Soldaten.

Mögliche Exit-Strategie: Die USA sollten im Irak ein Referendum mit der Fragestellung „Sollen die US-Truppen aus dem Irak abziehen?“ organisieren. In einer Umfrage gaben jüngst 69 Prozent der befragten Iraker an, die US-Präsenz mache die Lage im Land nur schlimmer, nur 21 Prozent waren gegenteiliger Meinung. Wenn die Iraker die Amerikaner in einem Referendum aus ihrem Land weisen würden, dann wäre es für die USA wirklich Zeit zu gehen.

Der nächste Präsident braucht die Hände – und den Kopf – frei, um den Terror wirkungsvoll zu bekämpfen. Ein starrköpfiges „Weiter so“ würde nirgendwohin führen.

US-Geheimdienstbericht Seite 3


thomas.seifert@diepresse.com("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.07.2007)

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