Salzburg: Jüdische Opfer wiederholen ihre Flucht

Tausende flohen über Gebirgspass vor den Nazis.

SALZBURG. Im Sommer 1947 war Salzburg für wenige Monate eine der Drehscheiben der jüdischen Massenflucht aus Europa: Rund 5000 Menschen haben über den Krimmler Tauern, einen wenig bekannten Gebirgsübergang in rund 2600 Meter Seehöhe an der Grenze zwischen Salzburg und Südtirol, Österreich verlassen, um via Italien nach Palästina zu gelangen. Ein Stück europäischer Zeitgeschichte, das fast vergessen ist.

„Alpine Peace Crossing“, eine Gedächtnisveranstaltung, will die 60 Jahre zurückliegenden Ereignisse in Erinnerung rufen und den Bogen zur Flüchtlingssituation der Gegenwart spannen. Heute, Freitag, findet eine Überquerung des Krimmler Tauern auf der damaligen Route der Flüchtlinge statt. Ernst Löschner, Österreich-Direktor der Bank BNP Paribas, ist Initiator der vom Nationalpark Hohe Tauern und dem Land Salzburg unterstützten Veranstaltung.

Aus Israel, wo über das Projekt ausführlich berichtet wurde, haben sich rund 20 Zeitzeugen von damals gemeldet. Drei von ihnen nehmen an der Gedächtniswanderung teil. In den Jahren 1945 bis 1948 haben rund 250.000 Juden aus Osteuropa in mehreren Wellen ihre alte Heimat verlassen, schildert der Salzburger Historiker Harald Waitzbauer.

Die Juden hatten Angst vor neuerlichen Pogromen, nach der Zeit des Nationalsozialismus war ihnen in Europa die Lebensgrundlage entzogen. In Salzburg habe es mehrere Auffanglager für diese „Displaced People“ gegeben, darunter auch eines in Saalfelden,

Als die französische Besatzung in Tirol die illegale Ausreise der Flüchtlinge erschwerte, fanden jene Menschen, die im Salzburger Pinzgau gestrandet waren, über den Krimmler Tauern ein Schlupfloch, um Österreich illegal zu verlassen. Rund zehn Stunden dauerte der anstrengende Nachtmarsch vom Krimmler Tauernhaus ins Südtiroler Ahrntal.

Heute Wanderung, damals Tortur

Was heute als lange, aber einfache Bergwanderung gilt, war für die Flüchtlinge damals eine Tortur. Sie hatten meist keine alpinistische Erfahrung, waren schlecht ausgerüstet und körperlich geschwächt. Unter den Flüchtlingen waren auch viele Familien mit Kleinkindern. Zwei bis drei Mal pro Wochen zogen Gruppen von bis zu 200 Personen in der Finsternis der Nacht über den Krimmler Tauern. Von Südtirol aus gelangten sie über Genua nach Palästina. Mit dem ersten Schneefall im September endeten die Flüchtlingsströme über den Tauern.

„Alpine Peace Crossing“ stellte auch die Frage, wie man heute mit Flüchtlingen umgeht, in den Mittelpunkt. „Obwohl damals die Österreicher selbst nichts hatten, waren sie bereit, zu helfen“, sagte Salzburg Landeshauptmann-Stellvertreter Othmar Raus (SPÖ).

www.alpinepeacecrossing.org("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.06.2007)

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