Polit-Streit: Wie böse sind Wiens Radfahrer?

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Verkehr. Immer mehr Rowdys, klagen FP/VP. Experten sind anderer Meinung.

Wien.Wiens schwarz-blaue Opposition hat die nicht mit dem Rad fahrende Bevölkerung für sich entdeckt: ÖVP und FPÖ stellten am Montag unabhängig voneinander Forderungspakete im Kampf gegen das angeblich Überhand nehmende Rowdytum unter Radfahrern vor. So wünscht sich VP-Verkehrssprecher Wolfgang Gerstl, dass diese künftig von einer einzurichtenden Stadtwache kontrolliert werden. Auch das Tragen von Helmen und die Absolvierung einer Radprüfung sollen bis zu einem Alter von 14 Jahren verpflichtend sein. Und: Gemeinsam mit den Freiheitlichen fordert die VP eine Kennzeichnungspflicht für Fahrräder. Gerstl: „Es muss Schluss mit lustig sein für jene rücksichtslosen Radfahrer, die noch immer nicht verstanden haben, dass sie nicht alleine auf der Straße unterwegs sind.“

Während sich das schwarz-blaue Bündnis offensiv gegen die Radfahrer richtet, stellt sich eine Koalition aus Grün und Rot – zumindest in Aussendungen – schützend vor sie. Die „Negativ-Kampagne“ seinen „klimaschutzfeindlich und überzogen“, die Stadt bemüht, Unfallhäufungssstellen im Verkehrsnetz zu beseitigen.

Weniger Radfahr-Unfälle

Die Wahrheit abseits des politischen Scharmützels liegt in der Mitte. Stichwort Verkehrssicherheit: Zumindest statistisch gesehen ist eine Zunahme des gefährlichen Verhaltens von Radfahrern nicht festzustellen. Obwohl der Radverkehr beständig zunimmt, sind die Unfallzahlen in den vergangenen Jahren (2002: 5930; 2006: 5417) gesunken. Dasselbe gilt für die Zahl der Toten (von 80 auf 48) und der Verletzten (von 5837 auf 5335).

Wolfgang Langer von der Verkehrspolizei hat im Rahmen einer Schwerpunktaktion festgestellt, dass sich der Großteil der Radfahrer an die Regeln hält. Auch wären diese nicht überproportional oft in Unfälle verwickelt. „Probleme entstehen aber dann, wenn sie sich Verkehrsflächen mit Fußgängern teilen und sich anonym genug fühlen, die Regeln nicht beachten zu müssen.“

Hans Doppel von der Radfahrer-Interessensvertretung Argus ist daher der Meinung, dass eine Verlegung der Radfahr-Anlagen vom Gehsteig auf die Fahrbahn viele Probleme lösen würde. Zunächst einmal kämen sich Fußgänger und Radfahrer seltener in die Quere. Zusätzlich würde so der häufigste Unfalltyp (Auto „übersieht“ Radfahrer auf Radweg-Überfahrt beim Rechtsabbiegen) vermieden werden. Und: „Durch das Benutzen der Fahrbahn sind Radfahrer fast gezwungen, sich an die Regeln zu halten.“

Die Forderung nach Kennzeichen für Fahrräder hält er Doppel für „absurd“. „Demnach bräuchte man diese nämlich auch für Fußgänger.“ Außerdem würde der dafür notwendige Zulassungsvorgang bei der Behörde mindestens 50 Euro Kosten. „Ein brauchbares Rad vom Flohmarkt ist nicht viel teurer.

STATISTIK

Radfahrer sind nicht häufiger in Unfälle verwickelt als andere Verkehrsteilnehmer. Obwohl der Radverkehr zunimmt, sinken die Unfallzahlen. Gab es 2002 in Österreich noch 5930 Unfälle mit Radfahrern, waren es im Vorjahr 5417. Die Zahl der Toten sank im selben Zeitraum von 80 auf 47. Die Zahl der Verletzten ging von 5837 auf 5335 zurück.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.08.2007)

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