Warnung vor „fanatischer Religiosität“

Die Presse (Fabry)
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Integrations-Stadträtin Sandra Frauenberger lehnt finanzielle Hilfen für Bauvorhaben der islamischen Glaubensgemeinschaft oder ein Zur-Verfügung-Stellen von Grundstücken ab.

Die Presse: Dass es in Wien eine Islamisten-Szene gibt, weiß man spätestens seit der Verhaftung der Terror-Propagandisten. Ein Alarmsignal für die Integrationsstadträtin?

Sandra Frauenberger: Wir müssen sehr aufpassen: Jetzt in eine Anti-Moslem Panik zu verfallen, ist der falsche Weg. Der Feind ist der Terror, nicht der Islam. Vielmehr geht es darum, in einem breiten Bündnis der Vernunft einer Pauschalverurteilung aller Muslime als Extremisten und potenzielle Terroristen entgegenzuwirken. Wien wird sich weder von den Aufheizerparolen von rechts außen noch von radikalen Strömungen innerhalb des Islams vom erfolgreichen Weg des Dialogs abbringen lassen.

Das ist schön. Aber Wissenschaftler wie auch die Experten vom Verfassungsschutz sprechen von Radikalisierung der zweiten Generation. Da hat der Dialog nicht viel geholfen.

Frauenberger: Das stimmt so nicht. Anerkannte Islamexperten sagen, dass der allergrößte Teil der in Österreich und Wien lebenden Muslime nicht sehr religiös, geschweige denn islamistisch ist. Wahr ist aber, dass die zweite Generation zwischen zwei Welten lebt und aufgrund dieses Identitätsproblems und der fehlenden Anerkennung soziale Kontakte nur zur eigenen Community pflegt. Hier gilt es verstärkt anzusetzen. Diese jungen Menschen brauchen von Anfang an eine echte Perspektive, vor allem für Ausbildung und Job. Hier müssen im Bildungssystem die bestehenden gläsernen Decken durchstoßen werden.

Aber gerade bei Integration und Bildung hat Österreich gerade sehr schlechte Noten bekommen.

Frauenberger: Integration hat zweifellos viel mit Bildung zu tun. Entscheidend dabei sind aus meiner Sicht zwei Dinge: Wir müssen bei den Eltern ansetzen, ihnen verstärkt den Wert von Bildung vermitteln. Aber wir brauchen weitere Impulse in Richtung Chancengleichheit beim Zugang zu Bildung. Ich rede hier von einem verpflichtenden Vorschuljahr für alle.

Was unternehmen Sie, um die moslemischen Frauen zu erreichen? Das ist doch das Hauptproblem.

Frauenberger: Unsere Rollenbilder, ich bin auch Frauenstadträtin. sind zu akzeptieren. Nehmen wir ein provokantes Beispiel: Da lebt eine Familie aus Anatolien irgendwo im 15. Bezirk in einer Mietwohnung. Dort sitzt eine Frau, die ist seit zehn Jahren da, war noch nie im Stephansdom und spricht kein Wort Deutsch. Das widerspricht meinem Integrationsgedanken. Es widerspricht auch massiv meinen frauenpolitischen Gedanken. Du musst ansetzen, wo Frauen hingehen können: in den Schulen. Sie gehen in den Kindergarten, dort musst du sie abholen. Das war das Geheimrezept von „Mama lernt Deutsch“. So haben wir 1200 Frauen dazu gebracht, Deutsch zu lernen, die wahrscheinlich ihr Leben nie irgendwo hingegangen wären. Die Frage ist nur: Wie bekomme ich diese 1200 Frauen in den Arbeitsmarkt? Und dann müssen wir bei ihnen, wie schon gesagt, beim Thema Stellenwert der Bildung ansetzen. Bei vielen Migrantinnen mit türkischem Hintergrund ist das fast ausgeblendet.

Dass Moslems die Stadthalle für größere Veranstaltungen mieten wollen ist doch nicht der Idealzustand, oder?

Frauenberger: Das ist nicht der Idealzustand. Ich glaube, dass die Religionsausübung ein Grundrecht ist, deswegen sollen sie auch den Raum haben, um zu beten – in welcher Form auch immer, an welchen Gott auch immer. Was ich für problematisch halte ist, wenn wir fanatische Religiosität unterschätzen. Es ist schwierig, die richtigen Worte zu finden, ohne der FPÖ Platz zu geben. Gute Integrationsarbeit bedeutet einen interreligiösen Dialog. Und dann glaube ich, muss sich niemand fürchten.

Die Frage von mir war ganz konkret, es gibt Bedarf in Wien: Es muss mehr Moscheen geben. Das sagt Ihr Parteichef Alfred Gusenbauer.

Frauenberger: Bei mir war noch nie jemand von einer Institution und hat gesagt: Frau Stadträtin, wir haben zu wenig Moscheen, wir wollen eine Moschee bauen, helfen sie uns. Das ist außerdem keine Frage, die der Staat oder die Stadt beantworten kann. Fakt ist, dass es tatsächlich nicht um ein Mehr an Moscheen und Gebetshäusern geht. Vielmehr will ein Gutteil der Vereine aus ihren Kellerlokalen in adäquate Räumlichkeiten. Ich stehe jedenfalls zu den Grundwerten Religionsfreiheit und zum Bekenntnis der Säkularität.

Und wenn wer kommt, würden Sie helfen?

Frauenberger: Wenn jemand kommt, dann wäre es wichtig so vorzugehen, wie wir es beim Sikh-Tempel im 22. gemacht haben. Ein integrationspolitischer Dialog umfasst die Bevölkerung, die dort wohnt. Dort muss Verständnis dafür erzeugt werden. Hier geht es meist nicht um ein neues Kulturzentrum, sondern um unterschiedliche Bedürfnisse, wie sie in einer Großstadt auf vielen Ebenen aufeinanderprallen und konfliktbeladen sind. Es geht um Lärmbelästigung und Parkplatzmangel. Was es seitens der Stadt sicher nicht geben kann und wird, ist eine finanzielle Unterstützung für Bauvorhaben oder die Zur-Verfügung-Stellung von Grundstücken.

Beim umstrittenen Gebetsraum-Umbau im 20. Bezirk ist der Dialog nicht gelungen.

Frauenberger: Bezirk und Stadtverwaltung waren und sind hier um einen Interessenausgleich bemüht und suchen pragmatische Lösungen. Der Gebetsraum bleibt beim Umbau gleich groß. Der Hof wird überkuppelt, um allfällige Lärmbelästigungen zu reduzieren. Und dort werden Wohnungen für von Gewalt betroffene Frauen eingerichtet. Dass Aufhetzung, wie sie hier auf erbärmliche Weise stattgefunden hat, jedenfalls niemandem dient, hat auch die Bürgerinitiative erkannt.

ZUR PERSON: Sandra Frauenberger

Die Wiener Stadträtin für Integration, Frauenfragen, KonsumentInnenschutz und Personal wurde 1966 in Wien geboren. Sandra Frauenberger ist verheiratet und hat zwei Söhne.
Frauenberger begann ihre berufliche gleichwie ihre politische Laufbahn 1984.

Seit 1997 ist sie Mitglied des Bezirksfrauenkomitees SPÖ Margareten, seit 25. Jänner 2007 Amtsführende Stadträtin.
Davor war sie von 2001 bis 2007 Mitglied des Wiener Landtags und Gemeinderats.

Die erste Begegnung mit Frauenpolitik hatte sie, als sie von der damaligen Frauenministerin Johanna Dohnal für die Kampagne „Töchter können mehr“ zu einem Runden Tisch eingeladen wurde.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.09.2007)

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