Die neue Ära der Christenverfolgung

[*]INTOLERANZ. In vielen muslimischen Ländern sind Andersgläubige Bürger zweiter Klasse. [*]EXTREMISMUS. Im Irak, in Afghanistan und in Teilen Nigerias müssen Christen um ihr Leben fürchten.

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orde, brennende Gottes häuser, Gefängnisstrafen für Priester. Religionsfreiheit ist in großen Teilen der Welt ein Fremdwort, nicht nur in kommunistischen Staaten wie China.

In den meisten islamischen Ländern sind Andersgläubige Bürger zweiter Klasse. Seit dem Streit um die dänischen Mohammed-Karikaturen und die umstrittenen Regensburger Äußerungen des Papstes ist der Druck vor allem auf Christen gestiegen. Von Pakistan bis zu den Palästinensergebieten nahm die Zahl der Angriffe auf Kirchen zu. In Nigeria wurden Dutzende Christen von Demonstranten getötet.

"Wann immer sie Probleme mit dem Westen haben, rächen sich die Extremisten an uns. Als Christ ist man dann immer das erste Ziel", meint Louis Sako, Erzbischof im nordirakischen Kirkuk zur "Presse". Gerade im Irak wird die Lage immer prekärer. Die Christen geraten im Bürgerkrieg zwischen alle Fronten. Islamisten nehmen die Minderheit gezielt ins Visier. In den vergangenen Monaten hat sich die Zahl der Christen, die das Zweistromland verlassen, massiv erhöht. Hilfsorganisationen sprechen von Massenflucht.

Besonders geschockt reagierten Nordiraks Christen auf die Entführung des Priesters Boulos Iskander Behnam. Extremisten hatten den syrisch-orthodoxen Geistlichen vor einigen Wochen verschleppt und enthauptet - als "Rache" für die Islam-kritischen Äußerungen des Papstes. Im Jahr 1987 lebten noch etwa 1,4 Millionen Christen im Irak, heute sind es deutlich weniger als eine Million. 44 Prozent aller in Syrien registrierten irakischen Flüchtlinge seien Christen, heißt es im jüngsten Bericht des UN-Flüchtlingshochkommissariats UNHCR. Und das, obwohl die religiöse Minderheit nur drei Prozent der irakischen Gesamtbevölkerung stellt. Dazu kommen zigtausende Christen, die aus anderen Teilen des Irak in die sichereren Kurdengebiete geflüchtet sind.

"Mehr als die Hälfte meiner früheren Diözese hat Basra bereits verlassen", berichtet Erzbischof Gabriel Kassab der "Presse". Kassab war Oberhaupt der chaldäisch-katholischen Gemeinde der südirakischen Stadt. Vor einigen Wochen wurde er aber von Rom nach Australien abberufen. Nachfolger in Basra gibt es keinen.

Der Vatikan habe ihm gesagt, er solle nach Sidney gehen, meint Kassab dazu lakonisch. Und auch sonst versucht er, sich diplomatisch auszudrücken: "Das Chaos wird immer schlimmer." Alle Menschen in Basra lebten daher in Angst. Er räumt jedoch ein, dass speziell von Christen ausgeübte Tätigkeiten "nicht akzeptiert" worden seien. "Einige Christen haben Alkohol verkauft. Ihre Läden wurden niedergebrannt."

Doch nicht nur massiver Terror wie im Irak macht Christen in den islamischen Staaten zu schaffen. Die Diskriminierungen reichen vom Verbot, Gottesdienste abzuhalten bis hin zu geringerer Glaubwürdigkeit vor Gericht. Muslimen, die konvertieren, drohen schwere Strafen.

Religionsfreiheit in moslemischen Ländern rückt deshalb zunehmend ins Zentrum des "kritischen Dialogs" mit dem Islam. Religionsfreiheit müsse nicht nur "institutionell garantiert", sondern auch in der Praxis eingehalten werden, mahnte nun der Papst bei seinem Besuch in der Türkei.

Doch auch Muslime kritisieren die wachsende Einschränkung ihrer Freiheiten im Westen. Ihr Argument: Die immer schärfer werdende Debatte um Kopftücher und den Bau von Moscheen.

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