Lobgesänge von allen Seiten zu Blairs Abschied

(c) AP (Matt Dunham)
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Letzter Akt in dem schier endlos scheinenden Abgang von Tony Blair. Dafür ist Gordon Brown am Ziel seiner Träume angelangt.

LONDON. Als „Kasperltheater“ hatte Tory-Parteichef David Cameron die wöchentliche Fragestunde des britischen Premiers im Unterhaus einmal bezeichnet. In Wahrheit sind es die 30 wichtigsten Minuten in der politischen Woche Großbritanniens. Denn in diesen 30 Minuten werden politische Karrieren gemacht oder zerstört.

Zehn Jahre war Tony Blair hier Herr im Ring gewesen. Bei seiner letzten „Prime Minister's Question Time“ aber wurde er am Mittwoch überrascht: Ausgerechnet Cameron führte die Lobreden auf den scheidenden Regierungschef an. Blair habe „Außerordentliches geleistet“, lobte Cameron. Als die Fragestunde schließlich vorbei war, hatte Blair gerötete Wangen von all den Lobgesängen, die auf ihn angestimmt worden waren. Mit stehenden Ovationen wurde Blair als Premier denn auch von allen Abgeordneten verabschiedet.

Nach seinem schier unendlich dauernden Abgang (Blair hatte erstmals vor der Wahl 2005 öffentlich über sein Ausscheiden aus der Politik gesprochen) verabschiedete er sich mit den Worten: „Ich wünsche Freunden und Feinden alles Gute. Und das ist es dann, das Ende.“

„Das Leben geht weiter“

Danach begab er sich zur Queen und reichte seinen Rücktritt ein. Der Rest ist Geschichte. Ob er den Briten fehlen wird? TV-Journalist Jeremy Paxman zur „Presse“: „Das Leben geht weiter.“

Noch am Abend reiste Blair in seinen Wahlkreis Sedgefield, um auch den Rückzug von seinem Abgeordnetenmandat anzukündigen. Offiziell, weil er in seiner angestrebten künftigen Rolle als Nahost-Vermittler nicht genug Zeit haben werde, um den Wahlkreis zu vertreten. In Wahrheit aber, weil ein Hinterbänkler Blair für den neuen Premier Gordon Brown angesichts der Dauerfehde zwischen den beiden eine beständige Gefahrenquelle, wenn nicht sogar Provokation gewesen wäre.

Letzter Schliff an Browns Team

Als Regierungschef will Brown nämlich keine halben Sachen (mehr) machen. Unmittelbar nachdem er mit der Führung der Regierung beauftragt wurde, gab er seiner neuen Regierungsmannschaft den letzten Schliff. Wenn die offizielle Vorstellung des Teams auch erst Donnerstag Mittag erfolgen wird, sickerte schon durch, dass der bisherige Handelsminister Alistair Darling Brown als Schatzkanzler nachfolgen wird.

Rote Wangen hatte Brown nicht, doch auch er zeigte sich aufgeräumt wie selten. Zu guter Laune hatte er auch allen Grund: 13 Jahre, nachdem er Blair den Vortritt gelassen hatte, und zehn Jahre nach der Rückkehr Labours an die Macht, war er gestern Nachmittag endlich am Ziel seiner Träume: Der neue britische Premierminister heißt Gordon Brown.

In seiner ersten Stellungnahme sagte er: „Ich werde entschlossen sein, die Bestrebungen unseres Volkes umzusetzen.“ Er werde nicht aufhören „zu hören und zu lernen“. Das Land brauche eine „neue Politik und Änderungen im Gesundheits- und Bildungswesen: „Lasst uns mit der Arbeit beginnen.“

Auftrieb verschafft ihm auch der Übertritt des Tory-Abgeordneten Quentin Davies zu Labour. Zwar hat die Regierungspartei mit 63 Stimmen Mehrheit einen beruhigenden Polster. Parteiübertritte werden aber stets gefeiert wie ein Fußballclub die Verpflichtung eines Stürmerstars bejubelt. Interessanterweise wechselte Davies mit den Worten zu Labour, die Tories seien „nicht mehr wirklich konservativ“.

Gute Nachrichten erhielt Brown auch aus der Labour-Zentrale: Vier reiche Geschäftsleute spendeten der am Rande des Bankrotts wandelnden Partei in den letzten Tagen insgesamt 500.000 Pfund (750.000 Euro). Die Spekulationen, dass Brown bei günstigen Umfragen möglichst rasch Neuwahlen suchen könnte, erhielten damit schon am Tag seiner Amtsübernahme neuen Auftrieb.

LEXIKON

Unter Queen Elizabeth II. (seit 1952 auf dem Thron) regierten bereits elf Premiers: Churchill (bis 1955), Anthony Eden, Harold Macmillan, Alec Douglas-Home, Harold Wilson, Edward Heath, James Callaghan, Margaret Thatcher, John Major, Tony Blair – und nun Gordon Brown.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.06.2007)

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