Kuba feiert seine Revolution, doch Fidel fehlt

(c) AP (Javier Galeano)
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Kuba gewöhnt sich an die Abwesenheit des kranken Diktators. Bruder Raúl kündigt dezente Reformen an.

Buenos AIRES/Havanna. Es wäre der ideale Zeitpunkt für eine Rückkehr Fidel Castros in die Öffentlichkeit gewesen: Diese Woche beging Kuba den Jahrestag des Beginns der sozialistischen Revolution, und an diesem Feiertag sprach Castro vor einem Jahr zum bisher letzten Mal zum Volk. Tags darauf musste er sich einer schweren Magenoperation unterziehen.

Nun überließ Fidel zum ersten Mal seit 1959 seinem jüngeren Bruder Raúl, dem interimistischen Staatschef, das Rednerpult. Mit mehr Offenheit als Fidel sprach Raúl Castro jene Mängel und Missstände an, die jedem Kubaner ohnehin gut bekannt sind: „Die Löhne reichen nicht aus, um die Bedürfnisse zu decken.“ Sprich: Das Geld reicht nicht zum Leben.

Rasche Änderungen, so Raúl, seien aber nicht zu erwarten. Ein Durchschnittslohn auf Kuba beträgt umgerechnet etwa 15 Euro, was auch zusammen mit den staatlichen Lebensmittelmarken kein Auskommen erlaubt.

Stehlen, um zu überleben

Darüber hinaus gelingt es dem Staat nicht, wie Raúl Castro einräumte, ausreichend Wohnraum und Transportmöglichkeiten bereitzustellen. Den Kubanern bleibt nichts anderes übrig als illegale Nebengeschäfte zu betreiben oder am Arbeitsplatz alles Mögliche mitgehen zu lassen. So passiert es dann, dass man nach der Gepäckskontrolle durch den Zoll den Koffer mit einem kaputten Schloss und einigen Gegenständen weniger ausgehändigt bekommt. Offiziell werden Vorgänge dieser Art „Disziplinlosigkeiten“ genannt.

Damit höhere Löhne möglich werden, will Raúl mit „strukturellen Änderungen“ in der Landwirtschaft, aber auch in der Industrie die Produktion ankurbeln. Um den Nahrungsmittelmangel abzuwenden, ist es den Bauern seit einigen Jahren erlaubt, jenen Teil der Produktion privat zu verkaufen, der über die vom Staat geforderte Menge hinausgeht – freilich zu viel höheren Preisen. Man müsse die Erfahrungen der erfolgreichen Bauern „verallgemeinern“, meinte der Interims-Präsident.

Pragmatische Töne

Er schlägt nicht zum ersten Mal pragmatische Töne an. Raúl ist auch Verteidigungsminister, und da ganze Sektoren, etwa der Tourismus, von gut ausgebildeten Militärs gemanagt werden, ist er sich über die wirtschaftliche Realität wohl besser im Klaren als sein älterer Bruder.

Trotzdem sollten die Kubaner keine falschen Hoffnungen auf einen leichteren Alltag hegen. Denn „spektakuläre Lösungen wird es nicht geben, man braucht Zeit“. Zeit, die sich auch eine interdisziplinäre Studiengruppe nimmt, die seit Monaten über die Natur des Eigentums nachdenkt und noch Monate wenn nicht gar Jahre brauchen wird, bis sie ihre Ergebnisse vorlegt.

Außerdem ist die volkswirtschaftliche Lage wieder etwas stabiler geworden. Dazu tragen billige Öllieferungen von Venezuelas Präsident Hugo Chávez und chinesische Investitionen wesentlich bei. Der größte Erfolg der Castro-Brüder besteht sicher darin, dass ein Jahr nach der „provisorischen Machtübergabe“ das prognostizierte Chaos ausgeblieben ist und sie die Situation im Griff haben.

Mit USA „von gleich zu gleich“

Ob der „máximo líder“ wieder einmal selbst vor das Volk treten wird oder sich weiterhin auf mahnende Artikel in der Parteizeitung beschränkt, scheint mittlerweile fast nebensächlich. Solange sein älterer Bruder auch nur indirekt präsent ist, wird sich Raúl Castro hüten, die von Fidel eingesetzten Top-Politiker zu ersetzen. Weiter unten in der Hierarchie setzt er Schritt für Schritt jedoch immer mehr Personen seines Vertrauens ein.

Während die USA auf einen Regimewechsel in Kuba hoffen, denkt auch Raúl bereits an die nächste, im November 2008 zu wählende US-Regierung: Dieser hat er schon angeboten, „von gleich zu gleich“ über strittige Themen zu sprechen.

DIE CASTROS: Das ungleiche Brüderpaar

Fidel Castro (80) führte 1959 die Revolutiongegen den kubanischen Diktator Batista an, und herrscht seither über die Karibik-Insel, die als Hort des Kommunismus für die USA ein ständiges Ärgernis darstellt. Fidel überlebte mehrere Mordversuche durch die CIA.

Raúl Castro, mit 76 vergleichsweise jung, stand im Schatten des großen Bruders, bis der ihm vor einem Jahr die Führung der Staatsgeschäfte interimistisch übertrug. Rául baute Kubas Armee auf und setzte sich in den 90ern für eine leichte Öffnung der Wirtschaft ein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.07.2007)

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