Polen: Wahlkampf fordert erste Opfer

(c) AP (Jerz Rucinski)
  • Drucken

Oppositionspolitiker Rokita verlässt Politik, weil seine Ehefrau mit den regierenden Kaczynskis politisch flirtet. Auch Ex-Premier Miller hat genug.

WARSCHAU.Eines ist der polnische Wahlkampf ganz sicher nicht: langweilig. Schon Wochen vor dem Wahltag am 21. Oktober warten die Parteien jeden Tag mit neuen Überraschungen auf. Nur die befürchteten Schmutzkübelkampagnen gibt es (noch) nicht. Zu sehr sind die Parteien damit beschäftigt, die eigenen Reihen zu schließen.

Am Wochenende gab der stellvertretende Vorsitzende der oppositionellen Bürgerplattform, Jan Rokita, völlig überraschend den Rückzug aus der Politik bekannt. Der Hintergrund ist pikant. Rokitas extrovertierte und ehrgeizige Frau Nelly, hatte angekündigt, sich auf der Liste der von ihrem Mann verachteten Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) zu kandidieren. Stunden später kam das Dementi: Sie werde zwar nicht zur Wahl antreten, aber sie werde Beraterin von Präsident Lech Kaczynski. Auch das war zu viel für Jan Rokita: Ihm blieb nur der Rückzug und der Spott der politischen Gegner.

Kwasniewski setzt sich durch

Tröstlich für Rokita könnte sein, dass er nicht das einzige prominente Opfer des beginnenden Wahlkampfes ist. Auch der frühere Ministerpräsident Leszek Miller hat seine politischen Ambitionen endgültig begraben müssen.

Um die Wahlchancen zu verbessern, haben sich die linken Parteien zu einem Bündnis namens „Linke und Demokraten“ (LiD) zusammengeschlossen. Deren Zugpferd ist Ex-Staatspräsident Aleksander Kwasniewski. Kaum war Kwasniewski auf den Schild gehoben, begann er, die Demokraten zu fördern und die Ex-Kommunisten in den Hintergrund zu drängen. Miller war bereit zum Machtkampf – und unterlag. Am Wochenende kündigte er seinen Austritt aus der Linkspartei SLD an.

Gelassen zog Jaroslaw Kaczynski in den Wahlkampf. Der Premier taucht im Hochwassergebiet im Süden Polens auf, spricht bei Bauernversammlungen und verteilt Wahlkampfgeschenke wie die Anhebung des Mindestlohnes um 18 Prozent. Wie zu erwarten, reitet Kaczynski auch immer wieder verbale Attacken gegen Deutschland.

In Schwierigkeiten gebracht haben den Premier allerdings seine Tiraden gegen das vermeintliche Netzwerk von steinreichen und korrupten Oligarchen. Der Verlag der polnischen Zeitung „Gazeta Wyborcza“ will ihn wegen Verleumdung verklagen, weil er das Blatt in einem Interview als Werkzeug der postkommunistischer Eliten bezeichnet hat. Angesichts steigender Umfragewerte für seine Partei nimmt der Premier die Klagsdrohung gelassen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.09.2007)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.