Iran kooperiert, aber nicht genug

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Der Chef der Atomenergie-Behörde versuchte im jüngsten Bericht über Irans Nuklear-Aktivitäten neben Kritik auch vorsichtig Lob einzustreuen. Jetzt ist wieder der Sicherheitsrat am Zug.

WIEN. Ende August war die Vereinbarung endlich fertig. Mohammed ElBaradei, Chef der Wiener Atomenergiebehörde IAEA hatte alles auf eine Karte gesetzt und praktisch im Alleingang mit dem iranischen Atomunterhändler Ali Ardashir Larijani eine Übereinkunft getroffen. Inhalt des ElBaradei-Plans: Innerhalb von drei Monaten solle der Iran über alle Details seines Atomprogramms Auskunft geben und eine Fülle offener Fragen beantworten.

Die Vertreter Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens und der USA waren erzürnt: Gleich am nächsten Morgen, berichtete die „New York Times“, versammelten sich die Vertreter dieser Länder in ElBaradeis Büro, um ihm eine Démarche zu überbringen. ElBaradei hätte mit seinen Extratouren die Versuche der EU-3 (Deutschland, Frankreich, Großbritannien), den Iran zur Aufgabe seines Atomprogramms zu bewegen hintertrieben und dem iranischen Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad eine wertvolle Verschnaufpause verschafft, just zu einem Zeitpunkt, als der Westen den Druck eigentlich auf Teheran erhöhen wollte.

Der Lackmus-Text

ElBaradei nannte seinen Plan einen „Lackmus-Test“: Würde der Iran endlich bereit sein, die Sünden der Vergangenheit zu bekennen? Etwa: Woher kamen die Baupläne für die für die Urananreicherung notwendigen Gas-Zentrifugen? Woher hat der Iran Informationen über die Formung von Uran zu Sprengköpfen?

Tatsächlich hatte ElBaradei dem Iran eine Verschnaufpause verschafft: Ende September kamen die Mitglieder des Sicherheitsrats überein, mit neuen Sanktionen bis nach dem Vorliegen des ElBaradei-Berichts zu warten. Sollte der ElBaradei-Bericht „negativ“ ausfallen, dann drohen neue Sanktionen gegen den Iran.

Tatsache ist, dass der Iran der Atomenergiebehörde am 8. November ein 15-seitiges Geheimdokument aus dem Jahr 1987 überreicht hat, dessen Herausgabe die Nuklearexperten in Wien seit über zwei Jahren verlangt hatten. In dem Geheim-Papier wird beschrieben, wie man Uran verarbeiten und gießen muss, um aus dem waffenfähigen Schwermetall einen atomaren Sprengkopf zu bauen. Der Inhalt des Dokuments war freilich schon seit langem bekannt. Deshalb war die Kopie von geringer Bedeutung.

Das Plutonium-Kapitel konnte indes geschlossen werden: Der Iran erlaubte den Atominspektoren Interviews mit einem der Schlüsselfiguren des iranischen Plutonium-Bomben-Projekts und übergab relevante Dokumente. Eine Atomwaffe kann man neben Uran auch aus Plutonium gewinnen. Es handelt sich um ein radioaktives, hochgiftiges Metall, das in der Natur nicht vorkommt und erst bei der Kernspaltung entsteht.

Der Bericht des Generaldirektors

Gestern, Donnerstag, legte IAEA-Generaldirektor Mohammed ElBaradei den Mitgliedern der IAEA seinen Bericht vor. Im Papier, das der „Presse“ vorliegt, beklagt ElBaradei, dass der Iran seit dem Jahr 2006 noch weniger Informationen übermittelt als vorher. „Infolgedessen sinkt der Wissensstand über das gegenwärtige Nuklearprogramm des Iran.“ Und: „Trotz der Beschlüsse des UN-Sicherheitsrats hat der Iran seine [Uran-]Anreicherungsaktivitäten nicht eingestellt.“ Darüber hinaus halte der Iran auch am Bau eines Schwerwasserreaktors und der Produktion von sogenanntem „schweren Wasser“ fest.

Unterschiedliche Bewertung

Positiv merkt ElBaradei an, dass der Iran Auskunft über die Zentrifugen, die der Urananreicherung dienen, erteilt habe. Die IAEA-Experten haben laut ElBaradei-Papier vor, „in den kommenden Wochen die angeblichen iranischen Forschungen, die militärische Zwecke dienen könnten, weiter zu untersuchen“. Am Ende seines Berichts ruft ElBaradei die iranische Regierung dazu auf, alle Anreicherungsaktivitäten einzustellen.

Wie ist jetzt dieser Bericht zu bewerten? Von Anfang an war klar, dass sich in der Bewertung des Berichts die Geister scheiden werden. Man wartete am Donnerstag gespannt, wie das Verdikt der Sicherheitsratsmitglieder ausfiel.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.11.2007)

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