Interview: „Frontex-Einsätze laufen wieder an“

Chef der EU-Grenzschutz-Agentur wehrt sich gegen Vorwurf der Ineffizienz.

Die Presse: Herr Laitinen, die von Ihnen geleitete EU-Grenzschutz-Agentur Frontex sieht sich in diesen Wochen herber Kritik ausgesetzt. Der Vorwurf: Frontex habe ihre Operationen im Mittelmeer und vor den Kanarischen Inseln Ende Juli ausgesetzt, als der Flüchtlingsstrom am größten war.

Laitinen: Verantwortlich für den Schutz der EU-Außengrenzen sind in erster Linie die betroffenen Mitgliedstaaten. Darauf baut Frontex auf, indem wir gemeinsame Aktionen koordinieren und überwachen. Wir sind also ein Teil der bereits bestehenden Strukturen vor Ort.

Aber Frontex bekommt für die von der Agentur koordinierten Aktionen zusätzlich Personal und Ausrüstung.

Laitinen: Das ist richtig. Wir sind allerdings vom Willen der Mitgliedstaaten abhängig, die für einen solchen Einsatz, zum Beispiel im Mittelmeer, von den eigenen Grenzen Einheiten abziehen müssen. Über die können wir nicht unbegrenzt lange verfügen. Das heißt für uns: Permanente Missionen mit dem Einsatz von Hubschraubern, Schiffen und einer großen Zahl von Fachpersonal sind nicht möglich. Wir müssen folglich Kompromisse eingehen und entscheiden, wie wir die uns zur Verfügung stehenden Mittel am besten einsetzen.

Es ist dennoch nicht verständlich, dass die Operationen an der EU-Südgrenze nicht nahtlos weiter liefen. Der Flüchtlingsstrom ist doch gerade in diesen Wochen am größten.

Laitinen: Da muss ich widersprechen. Diese Annahme ist nicht vollständig durch unsere Analysen gedeckt. Es ist nicht immer ein permanent hoher Flüchtlingsstrom von Mai bis August zu verzeichnen. Zudem muss ich auch der Behauptung widersprechen, dass wir die Missionen ausgesetzt hätten – sie hatten ganz einfach das geplante Ende erreicht. Und ich kann sie beruhigen, inzwischen sind sie wieder angelaufen. Ich glaube, dass wir sogar ziemlich erfolgreich sind. Auf den Kanarischen Inseln gab es einen Rückgang der Flüchtlingszahlen von fast 70 Prozent.

Sie betonen immer wieder die Abhängigkeit von Frontex vom Willen der einzelnen EU-Staaten. Sind Sie mit der Ausstattung nicht zufrieden?

Laitinen: Die Mitgliedstaaten könnten sicher mehr tun, damit wir noch besser arbeiten könnten. Aber die Bereitschaft, Frontex mit Booten, Flugzeugen, Helikoptern und Fachleuten auszustatten wächst.

Die Bereitschaft könnte aber noch schneller wachsen?

Laitinen: Die Dinge sind nicht so einfach. Man muss sich vor Augen führen, dass ein Hubschrauber nicht einfach auf die Schnelle ins Mittelmeer geschickt werden kann. Da gibt es viele Hürden. Und man muss auch immer bedenken, dass wir noch mehr Operationen durchführen, als die in der Öffentlichkeit sehr populären Missionen an der Südgrenze der EU. Wir sind auf dem Balkan präsent, wo die Schlepper-Routen aus dem Iran und dem Irak verlaufen. Natürlich ist die Ostgrenze der EU ein neuralgischer Punkt, wo die Routen aus Zentralasien, der Ukraine und Russland zusammenlaufen. Und da sind noch die großen EU-Flughäfen. Die sind ein nicht zu unterschätzendes Problem, wenn es um die Sicherung der Grenzen geht. Das heißt: Wir führen immer irgendwo eine Operation zur Sicherung der EU-Außengrenzen durch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.09.2007)

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