EU-Vertrag: Dänemark: Druck auf Referendum

Sogar Teile der Regierung fordern nun eine Abstimmung über den neuen EU-Vertrag.

Kopenhagen. Während Franzosen und Niederländer, die die EU-Verfassung zu Fall gebracht haben, diesmal nicht gefragt werden, könnten nun die Dänen zu Spielverderbern werden. In Kopenhagen wächst der Druck auf Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen, den leicht modifizierten EU-Vertrag selbst dann einer Volksabstimmung zu unterziehen, wenn dies rein juristisch nicht nötig wäre.

Alle Dänen kennen den Slogan der Seerettung: „Nur ein Narr fürchtet das Meer nicht.“ Die liberale Europaparlamentarierin Karin Riis-Jørgensen hat ihn auf die Europadebatte umgemünzt und „Meer“ durch „Referendum“ ersetzt. Denn dänische Abstimmungen zu Europa-Themen sind unwägbar. 1992 verwarfen die Dänen das Maastricht-Abkommen, obwohl die Regierung meinte, dieses sei genau auf dänische Bedürfnisse zugeschnitten. Als acht Jahre später das gesamte Establishment für ein Ja zum Euro plädierte, sagten die Wähler dennoch Nein.

Das ist der Grund, warum sich die Regierung diesmal bedeckt hält. Sobald der Reformvertrag von den EU-Regierungschefs abgesegnet ist, will sie das Papier von Juristen prüfen lassen. Enthält der Vertrag wesentliche Souveränitätsabtretungen, führt gemäß der Verfassung kein Weg an einem Referendum vorbei. Wenn nicht, dann nicht. Es ist kein Geheimnis, dass die Regierung auf Letzteres baut. Sie hat der damaligen deutschen EU-Präsidentschaft eine Liste mit aus dänischer Sicht kritischen Punkten übergeben und all diese sind aus dem jetzt vorliegenden Vertragstext ausgemerzt worden.

Rasmussen hat aller Voraussicht nach die Rückendeckung der Juristen, um ein Referendum für überflüssig zu erklären. Doch genau dagegen wächst der Widerstand, und während bisher nur EU-Gegner vom rechten und linken Flügel einen Volksentscheid forderten, stimmen nun auch Vertreter des Ja-Lagers ein: erst aus den kleinen Mitte-Parteien, dann von den oppositionellen Sozialdemokraten, zuletzt selbst aus dem Regierungslager.

Nicht „durchmogeln“

Die Konservative Pia Christmas-Møller, die als Fraktionssprecherin die politische Linie ihrer Partei zeichnet, hält ein Referendum für notwendig: „Wenn der Eindruck entsteht, dass der Vertrag durchgemogelt werden soll, wird uns dies teuer zu stehen kommen.“

Seit dem Maastricht-Nein schleppt Dänemark eine Reihe von beschwerlichen Sonderregeln mit, die nur durch neue Volksabstimmungen aufgehoben werden könnten. Daher sei eine gründliche EU-Debatte nötig, „und die bekommen wir nur, wenn ein Referendum ansteht.“ Sie glaubt, dass es möglich ist, die Wähler von den Vorzügen des Vertrags zu überzeugen, kennt aber auch das Risiko. Die EU-Partner würden eher den Dänen den Stuhl vor die Tür stellen als den so mühsam ausgehandelten Kompromiss nochmals aufzureißen, lautet die Einschätzung in Kopenhagen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.09.2007)

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