Der Fall Didulica

Foto: ROBERT JAEGER/APA
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Mit einem Urteil des OLG Wien ging das aufsehenerregende Strafverfahren gegen den ehemaligen Torhüter des FK Austria Magna zu Ende.

Am 26.05.2005 verletzte der damalige Torhüter des FK Austria Magna, Joey Didulica, den Stürmer des Lokalrivalen SK Rapid Wien, Axel Lawaree, schwer, indem er an der Strafraumgrenze im Zuge einer Abwehrbewegung während der von ihm vollzogenen Sprungbewegung (mit vorgestrecktem rechten Knie) mit seinem rechten Schienbein gegen das Gesicht des Stürmers prallte. Lawaree erlitt eine Nasenbeintrümmerfraktur, sowie eine Prellung des rechten Augapfels und ein Hämatom des rechten Oberlides. Aufgrund des zweifellos regelwidrigen Verhaltens wurde der Tormann des FK Austria Magna vom Schiedsrichter wegen des Regelvergehens des verbotenen Spiels ausgeschlossen.

Erstgericht: Außerachtlassung der gebotenen Sorgfalt

Didulica wurde vom Landesgericht für Strafsachen Wien zunächst wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung zu einer teilbedingten Geldstrafe von € 60.000 verurteilt. Dem Beschuldigten konnte zwar kein Eventualvorsatz nachgewiesen werden, sodass die Tat auch nicht unter den Tatbestand der vorsätzlichen schweren Körperverletzung zu subsumieren war, allerdings sei das Verhalten des Beschuldigten – nach der Auffassung des Gerichts – maßgeblich vom Verhalten der differenzierten Maßfigur aus dem Verkehrskreis des Täters, also einem gewissenhaften und einsichtigen Torhüter in einer Profiliga, abgewichen. Ein solcher, besonnener und gewissenhafter Profitormann hätte – ebenso nach Ansicht des Gerichts – versucht, den in Spieldistanz befindlichen Ball mit dem Kopf aus dem Strafraum zu spielen oder den Ball unter Ausführung eines wohl dosierten Sprunges mit der Faust weg zuschlagen. Jedenfalls aber hätte es ein regelverbundener Torhüter der Spielklasse des Beschuldigten unterlassen, ohne jegliche Rücksicht auf die Gesundheit eines Gegenspielers die torgefährliche Spielsituation zu bereinigen.

Die Argumentation der Anklage und der Verteidigung

Die – vor allem im Bereich von Verletzungen im Zuge von Verkehrsunfällen – anzutreffende Beurteilung des Gerichts war für den Sportjuristen im gegenständlichen Fall nur schwer nachvollziehbar. Es war daher auch nicht weiter verwunderlich, dass nicht nur die Verteidigung, sondern auch die Staatsanwaltschaft Wien gegen das Urteil Berufung anmeldete. Letztere vermeinte bereits in dem vom Gericht festgestellten Sachverhalt den Tatbestand der vorsätzlichen schweren Körperverletzung erfüllt zu sehen, bemerkenswerter Weise schon deshalb, weil aus der besonderen Ausführung des Sprunges und des Zusammenstoßes ein Vorsatz des Tormanns indiziert sei.
Das Rechtsmittel des Beschuldigten zeigte hingegen auf, dass die vom Erstgericht vorgenommene Heranziehung einer Maßfigur und somit eine Einschränkung des erlaubten Risikos auf übliche, leichte und unvermeidliche Regelverstöße vor dem Hintergrund der herrschenden Lehre und Judikatur nicht (mehr) haltbar ist. Vielmehr sind alle Risiken, die jemand eingeht, wenn und solange er realistisch um den Ball kämpft für jeden Ballsport typisch, die damit verbundenen Risiken daher erlaubt und damit verbundene gefährliche Handlungen von vornherein nicht tatbestandsmäßig. Ohne jeden Zweifel handelte es sich um die bedauerliche Folge eines Kampfes um den Ball, wie er – auch nach den im Verfahren vorgelegten Fernsehaufzeichnungen vergleichbarerer Spielszenen – im Spiel jederzeit vorkommen kann.

Oberlandesgericht: Verletzungen sind spartenspezifische, unumgängliche Begleiterscheinung

Das Oberlandesgericht Wien sprach Didulica von dem gegen ihn erhobenen Strafantrag zur Gänze frei. In der Begründung des sorgfältig ausgeführten Urteils verwies das Oberlandesgericht Wien darauf, dass die Verursachung von Körperverletzungen im Kampfsport als Vorsatzdelikt nur dann geahndet wird, wenn sich aus den jeweiligen Umständen des Einzelfalles konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben, dass diese außerhalb des für die betreffende Sportart üblichen Risikos liegt und Motivation für die Handlung nicht mehr der sportliche Erfolg, sondern Aggression gegenüber Mitspielern ist. Befinden sich die Spieler im Spiel und Kampf um den Ball und haben sie auch eine realistische Möglichkeit, diesen zu spielen, sind während des Kampfes um den Ball erfolgte Verletzungen als spartenspezifisch unumgängliche Begleiterscheinungen des Spieles zu sehen, die von den Spielern (und den Gerichten) hinzunehmen sind, weil sie sich als ein mit dieser Sportart üblicherweise verbundenes, unumgängliches (sozialadäquates) Risiko darstellen. Umgelegt auf den gegenständlichen Sachverhalt, in welchem die Absicht und die Möglichkeit von Didulica den Ball zu spielen zweifelsfrei festgestellt wurde, war ein strafbares Verhalten somit nicht gegeben. Auch beim Tatbestand der fahrlässigen Körperverletzung ist die soziale Adäquanz ausschlaggebend. In Ermangelung von Anhaltspunkten dafür, dass Didulica den Kampf um den Ball lediglich als Vorwand benutzte, um seinen Gegenspieler zu verletzten, war sein durch die gewählte Abwehrreaktion bedingtes gefährliches Verhalten als sozialadäquat zu beurteilen.

Dr. Oliver Scherbaum und Mag. Georg Brandstätter (Kanzlei WBS) haben Joey Didulica im gegenständlichen Strafverfahren verteidigt.

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