2. Wiener Nobelpreisträgerseminar: Lieber ins Labor als in die Kirche

(c) APA (Guenter R. Artinger)
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DNA, Zellen und atheistische Bekenntnisse: Hunt, Kornberg und Roberts im Wiener Rathaus.

Ein atheistisches Bekenntnis. Gleich noch eines. Und ein Bekenntnis als „hartgesottener Atheist“ (unter erschwerenden Umständen: frommes Elternhaus). Selten wurde die (gar nicht explizit gestellte) Gretchenfrage so flott und freudig beantwortet wie von den drei Stargästen beim zweiten Wiener Nobelpreisträgerseminar: Tim Hunt (England), Roger Kornberg (USA), Richard Roberts (USA). Das ist wohl ein Ergebnis der törichten anti-evolutionistischen Attacken christlicher Gruppen in den USA: Unter Naturwissenschaftlern, vor allem Biologen, gehört es heute zum guten Ton, sich von Religion, besonders vom Christentum, geradezu angewidert zu distanzieren.

Religiöse Erziehung grenze für ihn an Kindesmissbrauch, sagte Roberts und fragte: Sollten wir die Kinder nicht lieber ins Laboratorium schicken statt in die Kirche? Heftiger Applaus. Da hatte es der evangelische Theologe Ulrich Körtner, den man, als Quotenchrist sozusagen, auch aufs Podium gebeten hatte, nicht leicht. Religiosität könne eine Quelle für wissenschaftliche Bemühungen sein, meinte er, und plädierte für „das Recht, nicht perfekt zu sein“. Er sei aber auch für mehr Freiheit für die molekularbiologische Forschung in Österreich: Die aktuelle Gesetzeslage entspreche der katholischen Position und der Ausrichtung der letzten Regierung. Dass die Gesetze – für Präimplantationsdiagnostik, Genanalyse, Forschung an embryonalen Stammzellen – in Österreich zu restriktiv seien, darauf konnten sich alle auf dem Podium einigen.

PID-Verbot: „Absolut bizarr“

Tim Hunt fand es gar „absolut bizarr“, dass Präimplantationsdiagnostik – genetische Untersuchung befruchteter Eizellen vor der Implantation bei künstlicher Befruchtung – verboten ist. Zu Mittag hatte er schon gesagt, dass Klonen für ihn per se „kein Alptraumszenario“ sei. Betont affirmativ sieht auch Roberts die Zukunft seiner Branche: Schon bald werde man routinemäßig DNA von Menschen sequenzieren, um deren Neigung zu Krankheiten festzustellen.

Egal ob mit theologischem Beistand oder ohne: Um derlei Fragen zu ergründen, ist eine halbe Stunde Podiumsdiskussion viel zu kurz. Vielleicht könnte man bei den – wientypisch üppigen und teils redundanten – Begrüßungsworten der diversen Institutionen (Stadt, Uni, Med-Uni) Zeit sparen?

Gewiss nicht bei den Vorträgen, die alle drei die richtige Mitte zwischen fachspezifisch und allgemein verständlich fanden. Hunt sprach über Regulierung der Zellteilung – „Wir alle sind ja durch eine unterbrochene Abfolge von Zellteilungen verbunden“ – und deren Versagen bei Krebs. Roberts zeichnete die Geschichte der DNA-Sequenzierung, von zwölf Basen im Jahr 1971 bis zu den drei Milliarden im menschlichen Genom. Lobend erwähnte er den bescheidenen Fred Sanger und den nicht ganz so bescheidenen Craig Venter, dessen anfangs von älteren Kollegen skeptisch gesehene „Shotgun“-Methode (man zerstückelt die DNA wahllos und analysiert dann die Sequenzen) sich durchgesetzt hat: „Die Jungen hören nicht auf die Alten, und das ist gut so.“

Kornberg schilderte das Konstrukt aus RNA-Polymerase und Proteinen, dieses monströse Konglomerat aus molekularen Knäueln, das bewirkt, dass ein bestimmtes Gen zu einer bestimmten Zeit transkribiert wird. „Heute würde solche Arbeit in den USA nicht mehr gefördert“, klagte er abschließend – und hielt ein Plädoyer für die Grundlagenforschung, bei der noch keiner weiß, ob und wie sie einmal angewandt werden kann. Auch darauf konnten sich alle einigen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.06.2007)

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