Ökologie: Ein Viertel von allem nehmen wir

(c) AP (Heribert Pröpper)
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Forscher in Wien entwickeln ein Instrument, mit dem unser Einfluss auf die Erde messbar wird – und warnen, uns noch mehr anzueignen, etwa durch Biosprit.

Wenn man glaubt, man könne dadurch nachhaltig werden, dass man fossile Energie durch Biomasse ersetzt, dann erliegt man einem groben Irrtum“, erklärt Helmut Haberl (Institut für Soziale Ökologie der Uni Klagenfurt, Wien): „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht ein Umweltproblem wie das des Klimas, das derzeit den totalen Hype hat, eintauschen gegen viele andere, vom Verlust der Artenvielfalt bis hin zu Überschwemmungen durch verringerte Wasserrückhaltekapazität der Böden.“ Der Forscher stützt seine Warnung auf vieljährige doppelgleisige Arbeit gemeinsam mit Marina Fischer-Kowalski: Dabei ging es auf der einen Seite um ganz konkrete Analysen der Einflüsse menschlichen Handelns auf die Natur. Auf der anderen Seite ging es um das begriffliche/methodische Instrumentarium, mit dem empirische Analysen erst sinnvoll und aussagekräftig erarbeitet werden können.

Pflanzen geben, Menschen nehmen

Zunächst, so vor 30 Jahren, als die Umweltprobleme auch Gegenstand der Forschung wurden, konzentrierte man sich auf einige besonders bedrohliche Faktoren, ein Schwermetall oder ein Insektizid. Dann wurde die Fokussierung auf ein „Gift der Woche“ als zu eng empfunden, man wandte sich den großen Stoffströmen zu, denen des Erdöls etwa. Im dritten Schritt mussten alle Stoffströme integriert werden, dazu brauchte man einen gemeinsamen Bezugspunkt.

Fischer-Kowalski fanden ihn in HANPP, der „human appropriation of net primary production“. Die setzt die natürliche Leistung von Ökosystemen – die „Nettoproduktion“, geleistet wird sie von den Pflanzen, gemessen in Biomasse bzw. der in ihr gespeicherten Energie – in Bezug zu dem, was der Mensch durch seine Nutzungen entzieht (auch indirekter Entzug wie Versiegelung durch Straßen gehört dazu).

Da kommt etwas zusammen: „Wir fanden einen globalen HANPP-Wert von 23,8Prozent der potenziellen Netto-Primärproduktion, von denen 53Prozent durch Ernten entnommen werden, 40Prozent durch Verringerung der Produktion durch andere Landnutzung entstehen und sieben Prozent Bränden zuzurechnen sind, die Menschen gelegt haben“ (Pnas, 2.7.): „Eine einzige Spezies eignet sich ein Viertel der jährlichen Biomasseproduktion des Planeten an.“

Ja, wir raffen, aber haben uns das nicht andere Konzepte schon viel drastischer vor Augen geführt, etwa das vom „ökologischen Fußabdruck“? „Er bringt plakativere Aussagen und liefert Urteile“, konzediert Haberl, „aber er ist auch sehr vage und arbeitet mit dauernd wechselnden Gewichtungsfaktoren. Wir aggregieren nur nach physikalischen Einheiten wie Kilo Kohlenstoff.“

Dafür interessieren sich gar die EU-Statistiker von Eurostat. Und Urteile begründen kann man damit auch: Wenn man Ökosystemen Energie entzieht, sinken auch Artenvielfalt und Selbstregulationsfähigkeit, auch die Leistungen, die sie für uns erbringen („Ökosystem-Services“), die Reinigung des Wassers etwa oder das Festhalten des Bodens gegen Erosion. Und wollte man Ökosystemen – via Biomasse für Treibstoffe – so viel Energie entziehen, wie heute aus fossilen Quellen kommt, würde sich unsere Entnahme verdoppeln. Deshalb raten die Forscher zu „höchster Vorsicht“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.07.2007)

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