„Wir essen den Wald der Orang Utans!“

Smits
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Willie Smits berichtet im Gespräch mit der „Presse“ von den bedrohten Neffen.

Einzelne Orang Utans wird es noch in fünfzig oder hundert Jahren geben“, erklärt Willie Smits, der für diese Neffen eine Rolle spielt wie Jane Goddall für die Schimpansen, „aber Gruppen mit tausend Individuen in geschützten Urwäldern werden in zwei Jahren nicht mehr da sein.“ Dabei kennt man sie noch kaum, obwohl erste lebende Exemplare Mitte des 19.Jahrhunderts in europäische Zoos kamen, etwa in den von London. Dort sah Darwin einen und empfahl, die „Arroganz“ des Menschen aufzugeben und „seine“, des Orang Utan, „Intelligenz zu sehen“. Ähnlich empfand es Queen Victoria, allerdings graute ihr davor, „frightfull“ seien diese Wesen und „painfully and disagreeably human“.

So heißen sie auch, „Orang Utan“ übersetzt sich mit „Waldmensch“, und dass sie gar so herzig aussehen, haben sie vor zwanzig Jahren bitter gebüßt: In einer TV-Serie in Taiwan spielte ein junger Orang als Haustier mit, das brachte Nachfrage, von Familien, später auch von Bordellen. In den letzten Rückzugsgebieten – Borneo und Sumatra – begann Wilderei in großem Stil, die Mütter wurden abgeschossen, die Jungen kamen auf die Märkte, erst auf die lokalen (150 Dollar), dann auf die internationalen (15.000). Auf einem der lokalen hatte Smits – er war als Agrarexperte in Indonesien – 1991 seine erste Begegnung, er sah ein junges Weibchen, im abendlichen Müll, niemand hatte sie kaufen wollen, er päppelte sie auf.

„Keine Wälder ohne Wilderer...“

Das hat er inzwischen mit vielen Waisen getan, er jagt sie Wilderen und Händlern ab, oft unter größter Gefahr. Und er versucht mit seiner Organisation – Borneo Orang Utan Survival (BOS) –, die Jungen zu lehren, was ihre Mütter sie nicht mehr lehren können, das freie Leben. „Wir haben 600 wieder ausgewildert und derzeit tausend auf unserer Station“, berichtet der Forscher, „aber die Situation wird immer dramatischer, weil es keine Wälder ohne Wilderer und Holzdiebe mehr gibt.“ Und in den verbliebenen Wäldern kann man sie nicht einfach freilassen. Das haben andere Tierschützer versucht, sie hielten die Jungen erst in engem Kontakt mit Menschen und ließen sie dann dort frei, wo andere Orang Utans lebten. Das waren gleich zwei Sünden: Zum einen brachten die Tiere Krankheiten von Menschen mit, zum anderen brauchen Orang Utans viel Raum. Deshalb sieht man sie – wenn man sie überhaupt sieht, sie leben hoch in den Wipfeln – oft alleine, deshalb dachte man lange, sie lebten alleine, deshalb werden sie in Zoos oft alleine gehalten.

Aber sie sind gesellig. „Wenn sie einen Feigenbaum mit vielen Früchten finden, kommen sie von allen Seiten und feiern Erntedank“, berichtet Smits, der so viel beobachtet hat, dass er seine Schützlinge für intelligenter hält als Schimpansen: Sie benutzen Werkzeuge, sie erkennen sich im Spiegel – „einer hat darin auch gleich sein Geschlechtsteil betrachtet“ –, sie bauen ihre Nester mit Bedacht – flechten etwa Blätter ein, die Moskitos vergrämen –, und sie bauen, Smits ist davon überzeugt, auch mit ästhetischem Anspruch: „Ich habe oft gesehen, dass die Lage der Nester so ist, dass man beim Aufwachen einen schönen Blick hat.“ Immer öfter allerdings gibt es für die verbliebenen etwa 60.000 Individuen weniger Schönes zu sehen: Die Sägen kommen, und wenn die Bäume weg sind, werden Ölpalmplantagen angelegt.

Deren Öl beherrscht den Weltmarkt der Pflanzenöle, es ist in zahllosen Produkten – vom Shampoo bis zum Schweinefleisch –, und es wird besonders von Menschen geschätzt, die die Umwelt lieben und das Klima schützen wollen: Palmöl wird in europäischen Kraftwerken verheizt, unter Öko-Gütesiegel. „Wir essen den Wald der Orang Utans auf“, wird der sanfte Mann zum ersten Mal zornig: „Und wir verheizen ihn in Kraftwerken: Jede Tonne CO2-Ausstoß, die man mit diesem ,Biosprit‘ bei uns ,spart‘, bringt 32 Tonnen CO2-Ausstoß in Indonesien. Das sollten die europäischen Regierungen, auch die österreichische, auf der Klimakonferenz in Bali zur Sprache bringen: Orang-Utan-Schutz ist auch Klimaschutz.“

Denn die Wälder Indonesiens gehören zu den wenigen, die unaufhörlich CO2 bzw. seinen Kohlenstoff aus der Luft holen und lagern, in wachsenden Torfschichten. Werden diese Wälder gerodet – sie halten etwa 30 Prozent des CO2 –, kommt das Treibhausgas in frappanten Mengen frei, Smits rechnet es vor, am Beispiel eines winzigen Gebiets – 15.000 Hektar –, das im Urwald einen Hügel bildete, Torf schichtet sich so auf. Dann ließ irgendjemand einen Entwässerungsgraben ziehen, „nach zwei Monaten waren alle Bäume tot, Tausende, der Hügel verwandelte sich in ein Loch mit giftigem Wasser und in einen CO2-Vulkan. 100 Millionen Tonnen gingen dadurch in die Luft, das ist so viel, wie die Niederlande im Jahr emittieren.“

„...und Holzmafia“

Und wer ließ den Graben ziehen? „Holzmafia“, erklärt Smits und wird nun richtig böse: Nach seinem Urteil geht es um Holz und nur darum, die Ölplantagen sind ein nachgeschobenes Alibi, oft entstehen sie in Regionen, in denen Palmen gar nicht gedeihen. Das Urteil stützt sich auf modernste Analysemethoden: Smits hat für ganz Borneo durchgerechnet, wo was gut wächst, und er lässt von Satelliten den jeweiligen Stand illegaler Rodungen erheben. Der wird in den Niederlanden ausgewertet, zwei Tage später schaut ein Leichtflugzeug in Indonesien nach, zwei Tage später kommt die Polizei (wenn sie kommt, Korruption ist eines der großen Probleme).

Aber die Menschen brauchen doch Arbeit? Smits hat auch das durchgerechnet – die Plantagen bieten wenig Arbeit, noch dazu hoch giftige – und ein Alternativprogramm mit anderen Palmen entwickelt.

Details: www.bos-deutschland.de

BUCH: Dschungel-Denker

Willie Smits, geb. 1957 in Nijmwegen (NL), viele Qualifikationen, viele Auszeichnungen, war anlässlich der Präsentation eines prachtvollen Buchs in Wien, in dem man die Orang Utans – und ihre Bedrohungen – sieht und liest wie noch nie: „Die Denker des Dschungels“, ullmann Verlag, € 29,95.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.11.2007)

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