Ungarn macht Ernst mit „Lex OMV“

MTI
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MOL-Übernahme. Ministerpräsident Gyurcsány gibt Auftrag für Gesetz zum Schutz „strategischer“ Unternehmen.

WIEN (p. m.). Der Widerstand der Ungarn gegen die heimische OMV wird heftiger: Ungarns sozialistischer Ministerpräsident Ferenc Gyurcsány hat das Justizministerium beauftragt, ein Gesetz auszuarbeiten, das strategisch wichtige Unternehmen vor Übernahmen schützen soll. Anwendbar soll es sein, wenn der Interessent „unter direktem oder indirektem Einfluss eines ausländischen Staates steht“.

Viel direkter kann die zu 31,5 Prozent in Staatsbesitz befindliche österreichische OMV, die den ungarischen Konkurrenten MOL übernehmen will, in einem Gesetz kaum umschrieben werden. Der Hinweis auf staatlichen Einfluss beim potenziellen Übernehmer soll die wichtigste Klausel sein. Um den unausweichlichen EU-Prüfungen zuvorzukommen, werden Formulierungen geplant, die darüber hinaus enge Bande zu Firmen aus Nicht-EU-Staaten als Interventionsgründe nennen. Im Fall der OMV verweist man auf Kooperationen mit dem russischen Monopolisten Gazprom.

Merkel und Koch als Vorbilder

Ähnliche Regelungen gibt es, so ließ Gyurcsány die Nachrichtenagentur MTI wissen, bereits in Belgien, Großbritannien und Irland. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel habe für Herbst ein Gesetz angekündigt, mit dem unerwünschte Akquisitionen verhindert werden könnten.

Als unverdächtiger Zeuge wird Roland Koch, CDU-Ministerpräsident des deutschen Bundeslandes Hessen, zitiert: Es gehe um den Schutz vor Fonds, die mit staatlichen Geldern arbeiteten – Privatinvestoren seien weiterhin willkommen. Koch nannte Länder wie Russland und China, schloss aber staatsnahe Fonds aus dem Nahen Osten auch nicht aus. „Wir haben doch nicht gerade erst Unternehmen wie Deutsche Telekom und Deutsche Post mühsam privatisiert, damit die Russen sie wieder verstaatlichen“, so Koch.

Das ist zwar keine direkte Parallele zum Kampf der im Dezember des Vorjahres mühsam entstaatlichten MOL gegen die OMV. Aber Gyurcsány hat die OMV-Aktivität zur feindlichen Übernahme erklärt. „Ich [...] werde eine Intervention veranlassen“, sagte er Ende Juni. Jetzt hat er den Auftrag zur Intervention gegeben.

Liberale schwenken um

Inzwischen hat auch der Koalitionspartner seine Linie adaptiert. Wirtschaftsminister János Kóka, Chef des liberalen Bundes Freier Demokraten, trug zur Argumentationslinie Gyurcsánys bei: Die Washingtoner Regierung habe vor kurzem gegen Hafenvereinbarungen eines Golfstaat-Unternehmens in den USA interveniert – „es gibt also eine juristische Regelung, die ein Einschreiten ermöglicht, wenn es um Interessen der nationalen Sicherheit geht“, sagte der Minister der Zeitung „Napi gazdaság“ (Tägliche Wirtschaft).

Das Interesse des Landes sei eher, große regionale Multis zu haben, so Kóka, statt entscheidende Beteiligungen ausländischer Gesellschaften ins Land zu holen. Der Minister machte einen konstruktiv klingenden Vorschlag: Der österreichische Staat möge sich aus der OMV zurückziehen, dann könnten alle Beteiligten „unter anständigen Marktverhältnissen spielen“. Ende Juni hatte er die OMV-Aktivität zwar als unangenehm empfunden, aber ein eindeutiges Bekenntnis zum „freien Kapitalfluss“ und gegen „nationalen Protektionismus“ abgegeben.

MOL fragte bei Russen an

MOL selbst würde sich im Kampf gegen die OMV sogar mit einem russischen Partner – für die meisten Ungarn der Gottseibeiuns – verbünden. So hat MOL-Chef Zsolt Hernádi jüngst erklärt, gegenwärtig erscheine eine strategische Partnerschaft mit Lukoil oder Rosneft sinnvoller als mit der OMV. Die russische Tageszeitung „Kommersant“ nahm ihn beim Wort und fragte die beiden russischen Konzerne. Während die mehr staatliche Rosneft abwinkte, gab es bei Lukoil eine geschraubte Antwort: Man könne einer Partnerschaft näher treten, wenn aus Ungarn entsprechende Vorschläge kämen. Russlands größter Ölkonzern hatte laut „Kommersant“ im Vorjahr eine Beteiligung an MOL erwogen, aber nach der rüden Reaktion der ungarischen Behörden verzichtet.

Leitartikel: Nette NachbarnSeite 35("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.07.2007)

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