Asiens Problem: Zu viel Kapital

AP (Katsumi Kasahara)
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Noch nie floss so viel Geld nach und aus Asien wie 2006.

HONG KONG/WIEN (go).Die Asiatische Entwicklungsbank (Asian Development Bank, ADB) warnt davor, dass die aufstrebenden Volkswirtschaften China, Südkorea, Thailand, Malaysia, Indonesien und Philippinen kaum in der Lage sind, mit den gigantischen Strömen ausländischen Kapitals sinnvoll umzugehen. Denn noch nie zuvor machten Ausländer derart große Direktinvestitionen und kauften so eifrig asiatische Wertpapiere wie im vergangenen Jahr. 269 Mrd. Dollar (195 Mrd. Euro nach heutigem Kurs) an Kapital flossen im Jahr 2006 in die sechs genannten Länder.

Damit floss fast doppelt so viel ausländisches Kapital nach Asien wie vor genau zehn Jahren – an der Schwelle der kurz darauf folgenden Krise an den asiatischen Finanzmärkten, die eine weltweite Verschlechterung der Konjunktur zur Folge hatte. Die Asienkrise entstand dadurch, dass zuerst viel Geld nach Asien floss, das von den Investoren aber anschließend zu einem großen Teil ruckartig abgezogen wurde. Das bewirkte einen Verfall der Aktienkurse: der asiatische Börsenkrach war perfekt.

Die heutige Situation ist aber mit jener in den neunziger Jahren nicht zu vergleichen. Denn heute fließt neunmal so viel Kapital aus Asien in die Welt wie damals. 243 Mrd. Dollar sind es, mit denen chinesische Banken sich in afrikanische Rohstoffvorkommen einkaufen und koreanische Autohersteller Fabriken in Tschechien errichten.

Asiaten kaufen Staatsanleihen

Zwar sieht es auf den ersten Blick so aus, als würde dieser großer Kapitalstrom von einem fast gleich großen Strom an asiatischen Investitionen in der Welt gleichsam aufgehoben (siehe Grafik). Allerdings geben die Ökonomen der ADB in der Juli-Ausgabe des „Asia Economic Monitor“ zu bedenken, dass die beiden Kapitalströme einander nicht entsprechen.

Nach Asien fließt Geld derzeit vor allem, um Aktien zu kaufen oder Investitionen zu tätigen. Aus Asien hingegen fließt Kapital derzeit vor allem in Staatsanleihen – bekanntlich vor allem in jene der USA. Man kann also nicht sagen, dass sich die beiden Ströme in einer Art von Kreislauf durch Asien ausgleichen.

Was aber ist so schlimm an zu viel Kapital? Die wirtschaftliche Aktivität steigt in ungesunde Höhe, wenn es zu viel Geld gibt. „Überhitzung“ ist das Schlagwort, samt der Gefahr hoher Inflation und überbewerteter Währung. Letzteres ist bereits in Thailand der Fall, wo die Währung binnen Jahresfrist um 17,6 Prozent gestiegen ist. Das wiederum schädigt die Exporteure, von denen Asien noch überproportional stark abhängt.

ASIEN: Neuer Rekord

Noch nie zuvor ist so viel fremdes Kapital nach Asien geflossen wie 2006. 269 Mrd. Dollar wurden in Aktien, Liegenschaften und Firmen investiert.

Auch die Geldflüsse aus Asien erreichten mit 243 Mrd. Dollar einen Rekordwert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.07.2007)

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