Siemens-Affäre: Korruption „schockiert“

(c) AP (Christof Stache)
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Schmiergeldaffäre. Ermittler gehen jetzt von einer Milliarde Euro „dunkler“ Zahlungen aus.

Erlangen (cjd). 15. November 2006, ein Mittwoch. 200 Beamte der deutschen Wirtschaftspolizei stürmen in den Morgenstunden die Büros hochrangiger Siemens Manager. Tatort: die Firmenzentralen München und Erlangen. Eine lang-geplante Großrazzia. Grund: Verdacht auf groß-angelegte illegale Schmiergeldzahlungen zur Gewinnung von Aufträgen. Damals war von einem „Skandal“ die Rede. Und von geschätzten Schmiergeldzahlungen in der Höhe von 20 Mio Euro die Rede.

„Riesige Summen“

Heute – zehn Monate sind seit der Razzia vergangen – haben die Zahlungen eine „neue“ Dimension erreicht: Mehr als eine Mrd. Euro an Schmiergeldern soll seit den 90-er Jahren an Auftraggeber geflossen sein. Das berichten „Spiegel“ und „Süddeutsche Zeitung“ unter Berufung auf informierte Kreise. „Schockierend“ ist der inoffizielle Kommentar der Unternehmensleitung.

Auch die Konzernspitze gibt nach den jüngsten Erkenntnissen zu, dass es um riesige Summen geht. Allein in der Kommunikationssparte haben die beauftragten Anwälte beim akribisch Durchforsten von Aktenordnern und Emails Transfers von rund 900 Mio. Euro entdeckt. Bis in die 90er Jahre reichen diese Zahlungen zurück.

Kraftwerks-Sparte im Visier

Und: Die Anwälte der beauftragten US-Kanzlei Debevoise & Plimpton haben ihre Untersuchungen auch auf die Siemens Kraftwerkssparte ausgeweitet. Nach Angaben aus dem Unternehmen sei man auch hier auf Zahlungen von 250 bis 300 Mio. Euro gestoßen, heißt es. Macht insgesamt also mehr als eine Mrd. Euro an illegalen Finanztransfers.

Die Vorgangsweise bei der Abwicklung der Korruptions-Zahlungen ist in allen Fällen ähnlich: Über ausländische Konten, vornehmlich in Liechtenstein, aber auch Abu Dhabi und Österreich, wurden die Zahlungen angewiesen. Ziel der illegalen Transfers: die Auftraggeber von der Vorteilhaftigkeit des Siemens Angebots zu überzeugen.

In den Siemens Projekten wurden diese Zahlungen ohne eindeutig nachweisbaren Zweck registriert. „Es spricht einiges dafür, dass es dabei nicht um saubere Geschäfte gegangen sei – auch wenn nicht aller Zahlungen automatische Schmiergeld sein müssten“, heißt es unter Berufung auf Unternehmerkreise.

Offiziell gibt sich Siemens vor der Veröffentlichung des Endberichts der Anwälte verschlossen: „Zwischenstände der Untersuchung über die Quartals-Veröffentlichung hinaus, kommentieren wir nicht“, sagte ein Sprecher des Konzerns zu der Ausweitung der Affäre. Man unterstütze aber die Untersuchungen und sei an „voller Transparenz“ interessiert, so der Sprecher.

Österreich ist „sauber“

Ein Sprecher von Siemens Austria. wollte die laufenden Ermittlungen nicht kommentieren. „Es hat sich bei uns nichts geändert. Es gibt keine neuen Erkenntnisse“, sagte er zu den überstürzenden Ereignissen in Deutschland. Bisher hatte Siemens Österreich jegliche Involvierung in illegale Zahlungen abgestritten. Ob die Untersuchungen nach Österreich ausgedehnt werden, ist unklar. Die Anleger des Siemens-Konzerns sind indes verunsichert. Niemand weiß, ob weitere Enthüllungen folgen werden. Die Siemens Aktie verlor am Montag im freundlichen Marktumfeld 1,8 Prozent. Sie notierte zuletzt bei 90,4 Euro.

AFFÄRE Siemens

Der Stand der illegalen Zahlungen hat sich seit Beginn der Ermittlungen multipliziert. Derzeit gehen die Anwälte von „dunklen“ Transaktionen in der Höhe von einer Mrd. Euro aus.

Erfasst wurde nach der Festnetz- auch die Kraftwerks-Sparte des Konzerns.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.08.2007)

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