Boeing: Holpriger Start der 787

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Luftfahrt. Zum zweiten Mal muss Boeing den Erstflug seines Dreamliners "787" verschieben. „Das 7/8/7-Datum war ein Showeffekt“, sagte ein Boeing-Veteran jüngst.

Seattle/Wien (cjd). Erstmals wurde am 8. Juli 2007 ein Flugzeug des Typs Boeing 787 Dreamliner vorgestellt. Die US-Schreibweise des Datums verdeutlicht, wieso gerade an diesem Tag: 7/8/7. Das Datum als Spiegel des Flugzeugtyps war ein gelungener Gag der Marketing-Kapazitäten, wie Medienleute unisono meinten. Etwas anders sehen das die Vielzahl der Boeing Ingenieure. „Das 7/8/7-Datum war ein Showeffekt“, sagte ein Boeing-Veteran jüngst. „Die Show-Men (gemeint sind die MarketingKader) hatten hier die Oberhand“.

Die Ingenieure sind nicht umsonst verärgert. Denn das Flugzeug, das im Juli präsentiert wurde, war noch meilenweit davon entfernt, vom Boden abheben zu können. Und: „Die Show kostete uns wertvollen Zeit“, sagen die Ingenieure. Wertvolle Zeit, um das Flugzeug für den Jungfernflug startklar zu machen.

Weitere Verzögerungen

Das sollten die Ingenieure ursprünglich bis 27. August dieses Jahres zu Stande bringen. Bereits einmal musst Boeing das Datum für den Jungfernflug verschieben – von einem Abflug Ende September war die Rede. Doch auch dieser Zeitplan war zu optimistisch, wie sich jetzt herausstellt.

Eine weitere Verspätung des Starts wurde Anfang dieser Woche evident: „Noch für Mittwoch sei die Bekanntgabe von weiteren Verzögerungen seitens Boeing geplant“ berichtet die Seattle Times in ihrer aktuellen Ausgabe. „Der Start könnte sich bis Oktober 2007 verzögern“, heißt es weiter. Insider gehen indes davon aus, dass dies erst der Beginn weiterer Verzögerungen sein könnte.

Die Endmontage eines Flugzeugs vor dem Jungfernflug gilt gemeinhin als „kritischste“ Zeit eines Flugzeug-Projekts. Der Konkurrent Airbus weiß davon ein Lied zu singen: Probleme mit der Bord-Verkabelung des Airbus A-380 kosteten das europäische Luftfahrt-Unternehmen Monate an Zeit und eine halbe Milliarde Euro. Noch zur Stunde versucht sich der europäische Konzern und Boeing-Konkurrent von den Nachwehen dieser Fehler zu erholen.

Ingenieure unter Hochdruck

Die Boeing-Ingenieure stehen unter Hochdruck: Bereits im Mai nächsten Jahres soll der erste Flieger ausgeliefert werden. Davor benötigt Boeing aber ausreichend Zeit, um die vorgeschriebenen Testflüge zu absolvieren. Je später der erste Dreamliner abhebt, desto weniger Zeit bleibt, das Flugzeug auf Herz und Nieren zu testen. Bevor es dann in den kommerziellen Betrieb entlassen wird.

Boeing-Sprecherin Yvonne Leach formuliert das so: „Das Zieldatum für den ersten Flug könnte sich in den Herbst verzögern, während wir die komplexe Arbeit von Endfertigung, Systemintegration und Strukturtests vorantreiben.“ Es gebe vor dem Erstflug eben noch viele Dinge zu tun, wie es inoffiziell salopp heißt.

Kein einfacher Job

Eine besonders wichtiger Meilenstein für die Boeing-Ingenieure trägt den viel sagenden Namen „Power on“. Was einfach klingt, involviert enorme Abstimmungsarbeiten. Mit „Power on“ müssen alle elektronischen Systeme des Fliegers aufeinander abgestimmt werden. Kein einfacher Job. Denn die verschiedenen Systeme werden von zahlreichen Herstellern weltweit zugeliefert. Die Kommunikation aller Systeme einwandfrei zu ermöglichen, bringt die Köpfe der Ingenieure zum Rauchen.

Die 787 gilt als der große Coup von Boeing: Jahrelang schien bei den Amerikanern nichts zu gehen. Die 757 verkaufte sich schleppend, Projekte wie eine Vergrößerung der 747 floppten ebenso wie der Rumpfflügler „Sonic Cruiser“. Als schon gemunkelt wurde, Boeing verabschiede sich aus der Zivilluftfahrt, holte der Konzern zu einem Kraftakt aus: Inzwischen liegen für diesen Kraftakt mit Nummer 787 über 634 Bestellungen vor. „Das ist für uns die Bestätigung, dass wir das richtige Flugzeug zum richtigen Zeitpunkt anbieten“, sagte 787-Programmdirektor Mike Bair Anfang des Sommers in Paris.

Die 787 ist das erste Flugzeug aus leichten Karbon-Verbundstoffen. Gemeinsam mit sparsameren Turbinen soll das den Kerosin-Verbrauch der 787 stark reduzieren. Für Boeing bleibt zu hoffen, dass ihre klugen Ingenieure im Endspurt nicht die Nerven verlieren.

VERSPÄTETER START

Boeing hat den Erstflug für den Airbus A380-Konkurrenten 787 Dreamliner erneut verschoben. Neues Zieldatum: Oktober 2007.

Bereits im Mai nächsten Jahres soll der erste Flieger ausgeliefert werden. Das bedeutet hohen Zeitdruck für die Ingenieure.

Sollte Boeing die Lieferfristen nicht einhalten, drohen dem Konzern Pönalezahlungen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.09.2007)

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