Energiepolitik: Brüssel stoppt Gazprom-Kaufrausch

(c) EPA (Sergei Ilnitsky)
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EU-Kommission will europäische Energienetze vor russischer Übernahme schützen.

BRÜSSEL. Die EU macht jetzt gegen übermächtige ausländische Investoren auf ihrem Energiemarkt mobil. Vor allem staatliche Energie-Giganten wie Russlands Gazprom-Konzernsollen keine Chance mehr bekommen, europäische Energieproduzenten und vor allem deren Transportnetze zu kontrollieren. Deshalb legte die EU-Kommission am Mittwoch in Brüssel ein Bündel scharfer Gesetze vor, die solche Übernahmen und Beteiligungen deutlich erschweren.

Erst wenn die EU ein Abkommen mit dem jeweiligen Drittstaat abgeschlossen hat, soll die Bahn für dieses Unternehmen in der EU frei sein. Das Abkommen soll die Unabhängigkeit des ausländischen Teilhabers von seinem Staat garantieren. Dieser Vorstoß zielt vor allem auf Russland ab. Doch bisherige Gazprom-Beteiligungen in Europa dürften davon nicht rückwirkend betroffen sein.

Nicht alles in einer Hand

Wachgerüttelt wurde Brüssel durch immer neue Kaufinteressen der Gazprom an europäischen Energieunternehmen und deren Netzen. Mit den nun vorgelegten Maßnahmen könnte sowohl die Belieferung als auch das Transportnetz für Strom und Gas unter europäischem Einfluss bleiben, ist sich die Kommission sicher. Gleichzeitig beide Geschäftsbereiche zu übernehmen, soll sowieso verboten sein, denn auch die Konzerne in den EU-Ländern wären nach den neuen Vorgaben verpflichtet, Herstellung und Handel künftig zu trennen.

Die EU-Kommission fürchtet offenbar ebenso wie zahlreiche Experten, dass Russland seine marktbeherrschende Macht auf dem Gassektor in Zukunft auch politisch ausnützen könnte. Ganz unrealistisch sind solche Szenarien nicht: Schon in den Vorjahren hat Gazprom in der Ukraine mehrmals „den Hahn abgedreht“, um seine Stärke gegenüber dem unliebsamen Nachbarn zu demonstrieren und Zugeständnisse zu erzwingen.

Das Ziel ist aber nicht nur ein politisches. Neben der Versorgungssicherheit für die Konsumenten möchte die EU-Kommission einen faireren Wettbewerb durchsetzen: Monopole ausländischer, aber auch europäischer Konzerne sollen verhindert werden. Das würde garantieren, dass Strom- und Gaspreise nicht willkürlich in die Höhe schnellen.

Auf ein baldiges Energie-Abkommen mit Russland braucht die Europäische Union freilich sowieso nicht zu hoffen. Der Start von Verhandlungen über ein allgemeines EU-Russland-Abkommen (das später auch ein Energiepaket enthalten soll) scheitert seit Monaten am „Fleisch-Streit“ mit Polen: Weil Moskau den Import von Fleisch und Getreide beschränkt, legte Warschau bisher ein Veto gegen das Partnerschaftsabkommen ein, das Russland aber enger an die EU binden und mehr Zuverlässigkeit bei der Energielieferung garantieren würde.

Kommt es zu keinem Energie-Abkommen nach den Vorschlägen der Kommission, darf Russland – wie andere Drittstaaten auch – dann überhaupt keine Energie-Konzerne in der EU übernehmen. Eine Verschlechterung der Beziehungen mit Moskau erwartet EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner aufgrund des Entwurfs nicht, sondern man werde sich doch noch auf ein Abkommen einigen: „Das ist von gegenseitigem Interesse, da wir stark voneinander abhängig sind.“ Bis dahin müssen aber noch die 27 EU-Staaten im Ministerrat und das EU-Parlament dem Paket zustimmen.

Erdgas Russland
Erdgas Russland

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.09.2007)

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