Strabag: Der bizarrste Börsegang des Landes

(c) Die Presse (Michaela Bruckberger)
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Die neuerliche „Halb-Absage“ durch den Baukonzern hat in Finanzkreisen Verwunderung und Verwirrung ausgelöst. Einem dritten Versuch, an die Börse zu gehen, werden keine Chancen eingeräumt.

WIEN (dom/eid/g.h./mk/ku). Es soll der größte Börsegang der Wiener Börse werden – jetzt wird es wohl das bizarrste IPO (Initial Public Offering, das erstmalige Anbieten von Aktien an der Börse), den das Land je gesehen hat. Denn ob die Strabag-Aktie wirklich ab 19. Oktober gehandelt wird, steht in den Sternen. Hatte doch, wie berichtet, Strabag-Chef Hans Peter Haselsteiner am Wochenende gegenüber der „Presse“ durchblicken lassen, dass alles in letzter Sekunde abgesagt werden könnte.

Bereits im April des laufenden Jahres hatte Haselsteiner zum Rückzug geblasen, nachdem der russische Industrielle Oleg Deripaska für rund 1,05 Mrd. Euro 30 Prozent an Österreichs größtem Baukonzern erworben hatte.

In Finanzkreisen beziffert man die Wahrscheinlichkeit, dass die Strabag tatsächlich an die Börse kommt, zwischen „unter 50“ bis „etwa 70 Prozent“. Die Sache stehe unter keinem guten Stern, ist zu hören. Im April wäre das Umfeld ideal gewesen, weil die internationalen Fonds im Geld schwammen und Anlagemöglichkeiten suchten. Inzwischen kämpften viele Fonds durch die US-Hypothekenkrise mit Mittelabflüssen. Generell sei die Verschiebung eines Börsegangs immer ein Problem, heißt es in Bankerkreisen. „Wenn er jetzt noch einmal absagt, kann er die Sache ganz vergessen,“ so ein Investmentbanker.

„Ein völliger Blödsinn“

Der Strategiewechsel des Chefs wird hinter vorgehaltener Hand mit dessen „Stimmungsschwankungen“ erklärt. Ein anderer Grund könnte sein, dass, wie berichtet, der Haussegen zwischen Haselsteiner und Deripaska schief hängt. „Die kolportierten Differenzen mit Deripaska gibt es nicht“, sagt Strabag-Sprecher Christian Ebner. Im Gegenteil, seit Mai habe man sehr viel an gegenseitigem Vertrauen gewonnen. Gemeinsam wolle man den russischen Markt erobern.

Weiters wird gemutmaßt, dass der Preis, der für die Strabag-Aktien erzielt werden könnte, unter den Vorstellungen von Deripaska liege. Nicht zuletzt könnte Deripaska, so wird spekuliert, nächstes Jahr Haselsteiners Anteile zur Gänze übernehmen. Dies bezeichnet Ebner als „völligen Blödsinn“. Bei Deripaskas Einstieg im Frühjahr sei vereinbart worden, dass Haselsteiner mindestens drei Jahre an Bord bleibe.

Der Börsegang werde weiter intensiv vorbereitet, erklärt Ebner der „Presse“. Inserate werden geschaltet, Investoren umgarnt. Das Prospekt ist so gut wie fertig, abgesehen von einigen „Baustellen“ sei das Erstellen kein Problem gewesen. Die Strabag ist mit 56.000 Mitarbeitern und Erlösen von 10,4 Mrd. Euro der sechstgrößte Baukonzern Europas.

Vorbereitungen auf Schiene

Die Frage ist nur, ob sich die Investoren für einen halb abgesagten Börsegang interessieren. Warum nicht gleich abblasen? Aus rechtlichen Gründen, heißt es. „Entschieden wird erst einen Tag vor der Notierung“, sagt Ebner. Das wäre am 18. Oktober. „Wir setzen weiter voll auf den IPO der Strabag, alles ist auf Schiene“, betont auch Erwin Hameseder, Chef der Raiffeisen-Holding und Miteigentümer der Strabag.

Raiffeisen geht „grundsätzlich davon aus, dass der IPO kommt“. Aber: „Die Entscheidung wird in den nächsten 14 Tagen fallen, es hängt vom Kapitalmarkt ab“, sagt Hameseder zur „Presse“. Investmentbanker berichten von „normal laufenden Vorbereitungen“. Allerdings gebe es Querschüsse.

Für Verwunderung sorgt vor allem die Aussage Haselsteiners, dass wegen des nicht so optimalen Börsenumfelds der Börsegang gleich auf Frühjahr 2009 verschoben werden könnte. Börsianer geben zu Bedenken, dass die Aktienmärkte nicht weit von historischen Höchstständen entfernt seien, schlecht sei die Lage keinesfalls. „Wenn man glaubt, dass der Zeitpunkt jetzt nicht ideal ist, dann verschiebt man den Börsegang meist nur um ein Quartal.“ Und nicht gleich um ein Jahr. 2009 sei deshalb im Gespräch, „weil wir glauben, dass sich das Umfeld bis dahin stabilisiert. Wir brauchen das Geld nicht“, kontert Ebner.

Die Kosten des Börsegangs spielen offenbar keine Rolle. Diese werden auf rund zehn Prozent des Emissionsvolumens geschätzt – also auf mehr als 100 Mio. Euro. Ein Teil davon geht an die Emissionsbanken (Raiffeisen Centrobank, Deutsche Bank, Goldman Sachs), die leistungsabhängig bezahlt werden – ohne Börsegang gibt es kein Geld. An der Wiener Börse kann man sich eine zweite Absage nicht vorstellen. „Schon der erste Rückzug war ungewöhnlich – zweimal hat es das noch nie gegeben“, sagt Börse-Sprecherin Beatrix Exinger zur „Presse“. Von den jüngsten Überlegungen Haselsteiners habe die Börse aus den Medien erfahren, „direkt sind wir noch nicht kontaktiert worden“. Einen dritten Versuch könne man sich aber nur schwer vorstellen, weil die Glaubwürdigkeit dann weniger gegeben sei.

Raiffeisen bleibt Aktionär

Hameseder zufolge werden mit dem Börsegang Raiffeisen, Haselsteiner und Deripaska je 25 Prozent plus eine Aktie an der Strabag halten. Mittelfristig sei ein Rückzug auf je 17 Prozent geplant. Die Österreicher würden – per Syndikatsvertrag bis 2017 abgesichert – stets doppelt so viele Anteile halten wie Deripaska, so Hameseder. Im April betonte er: Raiffeisen werde „mit Sicherheit nicht aus der Strabag aussteigen“.

Großaktionär Deripaska dürfte der wackelnde Strabag-Börsegang jedenfalls kaum Sorgen machen. Er hat bei seinem Konzern Rusal vor kurzem einen neun Mrd. Dollar schweren Börsegang „auf unbestimmte Zeit“ verschoben. Auch da waren die Vorbereitungen weit gediehen. Rusal wäre der weltweit größte Börsegang 2007 gewesen.

AUF EINEN BLICK

Die Strabag ist mit 10,4 Mrd. Euro Umsatz und 56.000 Mitarbeitern der sechstgrößte Baukonzern Europas. Für April 2007 war ein Börsegang geplant.

Der Börsegang wurde in letzter Sekunde auf Oktober verschoben, weil der Oligarch Oleg Deripaska 30 Prozent an der Strabag erwarb. Nun wackelt auch der zweite Anlauf.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.09.2007)

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