Gentechnik: EU zwingt Österreich zur Öffnung

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Mais. Wien will sich den Forderungen Brüssels – noch – nicht beugen.

LUXEMBURG/WIEN (APA/ku).Im dritten Anlauf hat die EU-Kommission gesiegt: Am Dienstag setzte die Brüsseler Behörde durch, dass Österreich seine Gentechnik-Import-Verbote kräftig aufweichen muss. Die EU-Umweltminister fanden zwar weder eine qualifizierte Mehrheit für noch gegen den Kommissionsantrag. Doch das gibt der Behörde nun die Möglichkeit, im Alleingang die bestehenden Verbote aufzuheben – was sie bis 21. November auch machen wird.

Anbauverbot bleibt

Konkret ist davon die Einfuhr der beiden Gen-Mais-Sorten MON 810 und T25 für die Ernährung und als Tierfutter betroffen. Vorerst zurückgezogen hat die EU-Kommission ihr Veto gegen das österreichische Anbauverbot für die Gen-Pflanzen. Diese Sorten enthalten Gene, die sie unempfindlich gegen den gefürchteten Schädling „Maiszünsler“ bzw. gegen ein Pflanzenschutzmittel machen. Bauern vor allem in den USA, aber auch in Spanien und Frankreich machen davon Gebrauch, weil die Produktion einfacher ist und die Erträge steigen. Kritiker betonen hingegen, dass man zu wenig über die Langzeitfolgen von Gen-Mais wisse. Österreich hatte deshalb vor acht Jahren Einfuhrverbote erlassen.

Bereits zweimal ist die EU-Kommission mit ihrem Ansinnen gescheitert, denn Österreich konnte genügend Staaten auf seine Seite ziehen. Nun waren aber die Drohungen durch die USA zu stark: Nach einem Urteil der Welthandelsorganisation WTO darf Amerika (wie Kanada und Argentinien) Strafzölle auf europäische Waren einheben. Bei Regierungen kursieren, wie berichtet, bereits Listen über sanktionierte Güter im Wert von zumindest 400 bis 600 Mio. Dollar. Die WTO hat eine Frist bis 21. November gesetzt.

Unterm Strich haben 15 EU-Staaten für die österreichische Position gestimmt – das macht 191 Stimmen. Vier Länder (Großbritannien, die Niederlande, Schweden, Estland) haben den Kommissionsvorschlag unterstützt und ihm 56 Stimmen beschert. Die übrigen EU-Staaten haben sich der Stimme enthalten. Für eine qualifizierte Mehrheit wären 255 Stimmen notwendig gewesen.

Umweltminister Josef Pröll bezeichnete das Ergebnis der Sitzung trotz allem als „Erfolg“, weil es der EU-Kommission nicht gelungen sei, eine klare Mehrheit gegen Österreich zu organisieren. „Wir werden die Kommission darauf hinweisen, dass sie gegen 191 Stimmen mit nur 56 im Rücken gegen Österreich entscheidet“, sagte er. Über die Zukunft des österreichischen Importverbots will Pröll nach Vorliegen einer bis 20. November erwarteten Studie entscheiden. Danach werde man sich überlegen, „wie wir WTO-Konformität sicher stellen können“. Formal zuständig dafür ist das Gesundheitsministerium. Sollte Österreich der Forderung der EU-Kommission nicht nachkommen, kann Brüssel ein Vertragsverletzungsverfahren starten.

Schwere Kritik an Brüssel

Nach dem EU-Entscheid setzte es in Österreich schwere Kritik an Brüssel: Die EU sei vor der Gentechnik-Lobby in die Knie gegangen, kritisierte Ulli Sima (SPÖ). Die Grüne Vize-Chefin Eva Glawischnig fordert, dass Österreich die Import-Verbote beibehält. Die Umweltorganisation Global 2000 sprach von einer „unfassbaren“ Vorgangsweise der EU, die an düstere Zeiten und Regime erinnere, in denen Scheindemokratie gelebt wurde. Greenpeace fordert neue Schutzmaßnahmen bei Tierfutter – denn Fleisch oder Milch, die mit Gen-Saaten produziert wurden, müssen derzeit nicht gekennzeichnet werden. Die FPÖ stellte die Frage, wie weit ein EU-Mitgliedstaat seine Souveränität beschneiden lasse wolle. Und das BZÖ forderte den Stopp der Nettozahlungen an die EU.

Kommentar Seite 41

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.10.2007)

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