Klärschlamm im Überfluss

ABWASSER. Neue Konzepte für Kläranlagen reduzieren den Anfall von Klärschlamm.

WIEN. Kläranlagen sind heutzutage hocheffizient: Laut dem aktuellen Bericht des Umweltministeriums entfernen die rund 1500 kommunalen Klärwerke 98 Prozent der organischen Verschmutzung – Tendenz steigend. Wenig überraschend wächst auch das Aufkommen von Klärschlamm rasant, nämlich im letzten Jahrzehnt um ein Viertel auf rund 240.000 Tonnen Trockensubstanz pro Jahr. Inklusive enthaltener Feuchte entspricht das der gewaltigen Masse von rund einer Million Tonnen.

Klärschlamm ist der „Abfall“ einer Kläranlage: Er besteht aus festen Abwasser-Bestandteilen und aus dem „Überschuss-Schlamm“ der biologischen Reinigung – also vorwiegend aus Mikroorganismen, die die Schadstoffe abgebaut haben. Vom Wasser getrennt wird der Klärschlamm in Nachklärbecken, in denen die festen Teile nach unten sinken und das reine Wasser oben abläuft.

Die Verwertung des Klärschlamms wird jedenfalls immer problematischer: Trotz des hohen Nährstoff-Gehalts landet nur mehr ein Sechstel als Dünger auf den Feldern – denn Klärschlamm ist gleichzeitig eine „Schadstoff-Senke“, in ihm sammeln sich Giftstoffe wie etwa Schwermetalle. Jeweils ein Drittel wird verbrannt und kompostiert, nur mehr ein kleiner Teil wird deponiert – das ist nämlich künftig verboten.

Bakterien bleiben aktiv

In Kläranlagen versucht man freilich, das Volumen möglichst zu reduzieren – etwa durch Pressen, Trocknen oder Vergären zu Biogas. Ideal wäre es freilich, wenn überhaupt weniger Klärschlamm anfallen würde. Und dafür gibt es bereits Verfahren. Am Markt sind sogenannte „Membran-Bioreaktoren“, bei denen der Überschuss-Schlamm nicht mit dem gereinigten Abwasser abfließt, sondern durch Membranen zurückgehalten wird. Das bringt zwei große Vorteile: Die höhere Konzentration an Mikroorganismen verbessert die Reinigungsleistung – dadurch kann der Reaktor kleiner sein. Und man braucht keine riesigen Nachklärbecken mehr. Dadurch sind die Investitionskosten für eine neue Kläranlage geringer. Im Gegenzug benötigt das Membranverfahren aber viel Energie – denn es muss ein Druck überwunden werden, um das reine Wasser durch die Membran abzusaugen. Unterm Strich sind Membran-Bioreaktoren deshalb teurer.

Umweltbiotechnologen des Interuniversitären Departments für Agrarbiotechnologie (IFA) in Tulln wollen dieses Problem gemeinsam mit tschechischen, deutschen und Schweizer Kollegen lösen. In dem Projekt „MESH“ sollen die Kosten für die Filtration gesenkt werden – indem keine empfindlichen und hocheffizienten Membranen verwendet werden, sondern simple Textil-Filter. Diese versprechen, leichter durchlässig zu sein, deshalb sind keine hohen Drücke notwendig, um das gereinigte Wasser abzusaugen.

Fuchs erwartet, dass die Kosten für eine Kläranlage damit um den Faktor vier verringert werden können: Die Anlage soll doppelt so effizient sein wie eine herkömmliche Kläranlage, weil keine Mikroorganismen abfließen. Eine weitere Halbierung der Kosten soll sich durch den Entfall der Nachklärbecken ergeben. Ob das wirklich funktioniert, weiß man erst im nächsten Jahr – wenn im März eine Pilot-Anlage in der Kläranlage Tulln in Betrieb geht.

Einen ganz anderen Weg, den Klärschlamm loszuwerden, verfolgt das junge Leobersdorfer Unternehmen Kalogeo. Entwickelt wurde ein Verfahren zur thermischen Verwertung von Klärschlamm, bei dem im Endeffekt nur Asche, Abluft und Energie übrig bleibt. Im ersten Schritt wird der Klärschlamm in einer „kalten“ Trocknung bei 55 Grad zum Teil getrocknet – und zwar unter Nutzung der Abwärme aus der zweiten Stufe, der thermischen Verwertung. Diese geschieht durch eine „Wirbel-Schicht-Pyrolyse“ bei 600 bis 800 Grad: Der trockene Faulschlamm wird in einem Reaktor umhergewirbelt, die feste organische Substanz wird dabei vergast – und die entstehenden Gase werden verbrannt. Der Prozess ist Energie-autark, anfallende Überschuss-Wärme kann entweder als solche genutzt oder in Strom verwandelt werden.

Abgase in das Klärbecken

Den Vogel abgeschossen hat Kalogeo bei einer Kläranlage in Augsburg: Das Verfahren kommt dort sogar ohne Kamin aus. Denn die Abgase werden in das Belebungsbecken der Kläranlage eingeleitet. Dadurch erwärmt sich das Abwasser, und die Mikroorganismen bekommen zusätzliche Nährstoffe.

AUF EINEN BLICK

In Österreichs Kläranlagen fällt alljährlich rund eine Million Tonnen Klärschlamm an, Tendenz steigend. Niemand weiß, wohin mit diesen Mengen – deshalb arbeiten Umwelttechnologen an neuen Methoden.

Forscher aus Tulln entwickeln ein billigeres Verfahren, das den Klärschlamm im Reinigungsbecken zurückhält. Das Unternehmen Kalogeo verwandelt den anfallenden Klärschlamm an Ort und Stelle in Energie.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.11.2007)

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