Flüchtlinge, die nach Österreich kommen, sind vergleichsweise niedrig qualifiziert. Nach fünf Jahren im Land hat im EU-Durchschnitt jeder vierte Flüchtling einen Job, so die OECD.
Wien. 28.765 Menschen suchten zwischen Jänner und Juli in Österreich um Asyl an. Nicht alle werden einen positiven Bescheid erhalten. Aber wer in Österreich bleiben darf, wird früher oder später Arbeit suchen. Für viele dürfte das ein schwieriges Unterfangen werden. „Flüchtlinge haben deutlich mehr Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt als andere Zuwanderergruppen“, sagt der Ökonom Thomas Liebig.
Liebig arbeitet für die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Er hat gemeinsam mit Ökonomen der EU-Kommission eine Studie über die Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt erstellt. Die Daten beziehen sich zwar auf Menschen, die vor 2014 in die EU kamen. Aber sie können Hinweise darauf geben, wie sich jene, die seit dem Vorjahr in die EU flüchten, auf dem Arbeitsmarkt zurechtfinden werden.
Das Fazit des Ökonomen: „Die Integration ist ein sehr langer Prozess.“ 2014 waren in Österreich 58 Prozent der Flüchtlinge in Beschäftigung, so die Daten der OECD. Unter den Inländern betrug die Beschäftigungsquote im selben Jahr 71 Prozent. Nach fünf Jahren im Land hat im EU-Schnitt jeder vierte Flüchtling einen Job. Rund zehn Jahre dauere es, bis die Mehrzahl in Beschäftigung sei. Bis die Beschäftigungsquote von Flüchtlingen das Niveau von Inländern erreicht hat, dauert es 15 bis 20 Jahre. Und wenn Flüchtlinge arbeiten, dann oft unter ihrer eigentlichen Qualifikation.
Dafür gibt es viele Gründe: Häufig hätten Flüchtlinge keine Dokumente dabei, könnten also ihre Qualifikationen schlecht nachweisen. Es gebe es Probleme bei der Anerkennung von Abschlüssen und die Frage der „Gleichwertigkeit der Abschlüsse“, so Liebig. Und Arbeitgeber seien unsicher, was sie mit etwaigen Qualifikationen anfangen sollen. Generell gelte: Ein Abschluss aus dem Gastland werde auf dem Arbeitsmarkt immer besser wahrgenommen als einer aus dem Ausland, selbst wenn dieser formal höher sei, so der Ökonom.
Entscheidend für die erfolgreiche Jobsuche seien Sprachkenntnisse. „Wer das Niveau B1 erreicht hat, hat es eigentlich geschafft“, so Liebig. Das bedeutet, dass jemand „die allermeisten Alltagssituationen bewältigt“. In der Vergangenheit sei das Bild in Österreich und Deutschland „eher unvorteilhaft“ gewesen. Nach zehn Jahren sprachen hierzulande 50 Prozent fortgeschritten Deutsch, in Deutschland nur 40 Prozent. Deutschland steuere erfolgreich mit Integrationskursen gegen. Österreich liege bezüglich des Entwicklungsstands des Integrationsangebotes gegenüber anderen EU-Ländern noch etwas zurück, sagte Liebig.
Vorbildlich seien Schweden und Norwegen, die bezüglich Sprachkenntnissen der Flüchtlinge wesentlich besser abschneiden als Deutschland und Österreich. Obwohl sie oft besonders schwierige Gruppen aufnehmen und die Sprachen schwierig zu lernen seien. Liebig führt das auf ein „sehr ausgefeiltes Integrationsprogramm“ in diesen Ländern zurück.
Gute Lage in Deutschland
Für die seit dem Vorjahr in die EU Geflüchteten sieht Liebig Hoffnung. In Deutschland dürfte sich die allgemein gute Beschäftigungssituation positiv auf die Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt auswirken. Österreich sei bezüglich der wirtschaftlichen Lage etwas schlechter aufgestellt als Deutschland. „Aber die Arbeitsmarktlage ist immer noch besser als in vielen anderen EU-Ländern.“
EU-weit hat jeder fünfte Flüchtling im Erwerbsalter einen tertiären Bildungsabschluss (Universität, Fachhochschule oder Vergleichbares). Während etwa in Spanien zwei Drittel der Flüchtlinge höhere Abschlüsse haben, sind es in Österreich nur rund 20 Prozent.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.09.2016)