Oper

Diese Liebe tanzt über Leichen: "Poppea" in Wien

Staatsoper/Michael Pöhn
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„L’Incoronazione di Poppea“: expressive Stimmen in Jan Lauwers’ Monteverdi-Wimmelbildern.

Addio, addio – oder, wie genau genommen im Libretto steht: „A Dio!“ Die alte Schreibweise offenbart, dass Gott in der Abschiedsformel steckt, und gottgleich sind sie einander, der Kaiser Nerone und seine Geliebte Poppea. Ihr langes Lebewohl gleich am Ende der ersten gemeinsamen Szene im Eröffnungsakt scheint kein Ende zu nehmen, immer wieder aufs Neue werden Liebe beteuert und Wiederkehr versprochen. In Jan Lauwers’ Regie gerät das wiederholte Addio freilich geradezu zu einem Test jener Anziehung, die Poppea auf den Kaiser ausübt und der sie sich halb spielerisch, halb mit Bedacht unablässig versichert.

Großartig, wie Slávka Zámečníkovás Poppea da noch um ein paar Grade kühler, berechnender wirkt, nicht nur in Blicken und Gesten, sondern auch mit ihren präzis projizierten Soprantönen, die etwas Gläsernes haben, ohne dabei je spröde zu werden. Es ist Zámečníkovás Stimmklang, der zunächst widerspiegelt, dass sie in dieser Beziehung noch mit Sicherheitsnetz agiert. Erst im Laufe der Handlung lässt sie sich voll auf die Liaison mit dem Herrscher ein, wenn der Weg zur rechtmäßigen Ehe und damit zur Kaiserinnenkrone geebnet ist – mit immer blühenderen Kantilenen. Kate Lindsey agiert als Nerone dagegen wunderbar maßlos, ungezügelt, auch gefährlich; ein Gefühlsmensch, der gewohnt ist, spontanen Lüsten nachzugehen und dennoch nie zu vergessen, wo seine Bedürfnisse am schönsten gestillt werden. Ihren immer schlanken, aber etwas verhangen tönenden Mezzosopran nützt Lindsey dabei ausgiebig zu expressiv bohrenden, angeschliffenen Tönen: Vorboten des Cäsarenwahns.

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