"Geliebte Jane": Als Miss Austen fast durchbrannte

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„Geliebte Jane“ – eine rührende Fantasie über das Leben der Autorin.

Das Pfarrhaus in Hampshire sieht idyllisch aus. Die Vögel zwitschern, alles schläft, nur eine junge Frau sitzt konzentriert am Fenster. Rastlos formulierend bringt sie eine Geschichte zu Papier, streicht durch, überschreibt, schneidet mit der Schere die unpassenden Adjektive heraus. Diese zwanzigjährige Jane Austen (Anne Hathaway) ist nicht nur außergewöhnlich schön, sondern auch intelligent und energisch. Sie ist zudem exzentrisch, stürmt ans Klavier und weckt mit lautem Spiel das ganze Haus auf.

Jane braucht einen Mann, das ist den praktisch veranlagten Eltern, Pfarrer Austen (James Cromwell) und seiner Frau (Julie Walters), bewusst. Schwester Cassandra (Anna Maxwell Martin) hat bereits einen passenden Verlobten, die vielen Söhne sind angehende Gelehrte, Geistliche, Soldaten. Diese Familie gehört zwar zur Gentry, ist aber nicht reich. Deshalb sind die Kriterien für Janes Wahl ganz klar. Ihre Mutter macht es der Widerspenstigen deutlich: „Zuneigung ist wünschenswert, aber Geld absolut unverzichtbar.“

Zu diesem Zeitpunkt, irgendwann 1795, ist diese Jane hoffnungslos verliebt in den frechen Rechtsstudenten Tom Lefroy (James McAvoy). Er war zu einem Kurzbesuch auf dem Land und erwidert die Gefühle. Sie unterhalten sich über den wilden „Tom Jones“. Fielding zeige die Welt, wie sie wirklich sei, heißt es. Die Verliebten planen schließlich, im Stil dieses großen Schelmenromans des 18.Jahrhunderts, das Durchbrennen. Es bleibt ein kurzer Versuch. Denn auch Lefroy hat sich dem Willen des Clans zu beugen. Er und seine Familie sind abhängig vom Geld eines Großonkels in London, dem ist eine Landpomeranze ohne Vermögen zu minder für seinen Alleinerben.

Man weiß, die Geschichte geht schlecht aus für die Liebe, gut für die Literatur: Tom heiratet eine reiche Erbin, Jane Austen bleibt der Triebverzicht. Sie wird zur Schöpferin von sechs wunderbaren Romanen, ehe sie mit 41 Jahren stirbt.

Wenige Widerhaken, viel Opulenz

Regisseur Julian Jarrold lässt manchmal aufblitzen, wie Miss Austen geworden ist, was wir nachlesen können: eine Autorin ungeheurer Geistesschärfe, die mit beißendem Spott ihre Gesellschaft porträtiert. Damit kann der zweistündige Film allerdings nicht konkurrieren. Er hat das Leben der Austen in eine Romanze verwandelt, die weniger satirische Widerhaken hat, dafür in opulenten Bildern die schöne Zeit des Regency erstehen lässt, wie man es sich in der Austen-Filmindustrie seit zirka 15 Jahren vorstellt. Geliebte Jane gehört zu den besseren Produkten dieses Literaturfilm-Genres, zeigt neben der Idylle auch die Mühseligkeit der frühindustriellen Zeit. Charakterdarsteller wie Cromwell, Walters und Maggie Smith als Erbtante, die Jane ihrem Neffen Wisley (Laurence Fox) geben würde, heben das Niveau.

Der Film wird aber vor allem wegen der bezaubernden Anne Hathaway ein Erlebnis, die ihn in vielschichtiger Darstellung dem Kitsch entkommen lässt. Die Protagonistin ist sozusagen in einen ihrer Romane versetzt worden. Das Werk imitiert die Handlung von „Pride and Prejudice“ – und das liegt an der Vorlage, der 2003 auf Englisch erschienenen Austen-Biografie von Jon Spence, „Becoming Jane“. Zwar war der Literaturwissenschaft schon zuvor durch Andeutungen in Briefen bekannt, dass Jane mit Lefroy kokettiert hat, doch Spence spekuliert mit erfindungsreicher Kombinationsgabe auf eine große Liebe, auf den Wendepunkt im Leben einer Schriftstellerin. Sie habe ihn dann in „Stolz und Vorurteil“ verschlüsselt verarbeitet.

Im Roman geht am Ende alles gut aus, wie meist bei Jane Austen, doch viele raffinierte Details in den Texten relativieren die Happy Endings. Die Autorin weiß um die Härte der Welt, das Sentiment in rührenden Filmen wie Geliebte Jane hätte sie sicher zum Lachen gebracht.

In Österreich ab 16.November zu sehen.

BÜCHER ÜBER JANE AUSTEN

Jon Spence: „Geliebte Jane“. Insel Verlag 2007, 382 Seiten: leicht und intelligent.
Claire Tomalin: „Jane Austen: A Life“.Penguin Books 1997/2007, 362Seiten: eine sehr sorgfältig recherchierte und aufschlussreiche Arbeit.
Felicitas von Lovenberg: „Jane Austen“.Insel Verlag 2007, 94Seiten; dieser Essay ist mit Fotos aus dem Film reich bebildert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.11.2007)

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