Kirchschlager: "Lang genug unterwegs"

(c) APA (Ali Schafler)
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Kammersängerin Angelika Kirchschlager über die Strapazen des Musiktheaters und des Reisens, die Liebe zu den Liedern und die Tücken der Mathematik.

Wiens jüngste Kammersängerin heißt Angelika Kirchschlager. Die Salzburgerin ist längst ein Weltstar und dabei so sympathisch unkompliziert geblieben wie kaum eine Künstlerin, die in Sachen Musik um die Welt reist. Wobei die Sache mit den Weltreisen für Angelika Kirchschlager längst nicht mehr so erfreulich sein dürfte wie das am Beginn ihrer Karriere war, als sie sich über das enorme Interesse, das man ihr entgegenbrachte, natürlicherweise besonders freute. Wenn man ihr zum Gespräch gegenüber sitzt, lässt die Sängerin keinen Zweifel daran, dass ihr heutzutage viel eher daran gelegen ist, längere Strecken daheim sein zu können, um sich genügend um ihren Sohn Felix kümmern zu können.

„Das Bedürfnis nach Bemutterung wächst ja in Wahrheit“, plaudert sie aus der Schule; im wahrsten Sinne des Wortes „aus der Schule“: „Unlängst hab ich auf einer langen Fahrt mit der Pariser Metro versucht, via Telefon eine Mathematik-Aufgabe zu lösen.“ Es gelang, denn, so Kirchschlager weiter: „Das Wichtigste an der Mathematik in der Schule ist ja heute, dass man lernt zu kämpfen. Eine Problemlösungsschule, etwa so: Wie überlebe ich, auch wenn ich Dinge nicht verstehe“, sagt sie und lacht.

Telefonieren aus Europa oder USA: „Die sechs Wochen in Washington, die waren mir zum Beispiel schon zu lang. Obwohl es um ,Sophie's Choice‘ ging, ein Stück, das ich irgendwie als mein Baby betrachte; obwohl es eine schöne Zeit war, ein toller Erfolg und die Zusammenarbeit mit netten Kollegen mit sich gebracht hat.“ Eine Opernproduktion erfordert wochenlange Anwesenheit. Diese Strapazen will Kirchschlager nicht mehr so oft auf sich nehmen wie bisher: „Oper mache ich nur noch mit gutem Grund“, sagt sie und lässt gleich durchblicken, was keine guten Gründe für weite Reisen sind: „Also, für eine Serie Cherubin fliege ich sicher nicht mehr nach New York.“

Ein Wunsch: „Hänsel und Gretel“

Dafür lockte sie Covent Garden mit einem Angebot, das nicht abzulehnen war: „Ich durfte mir etwas wünschen. Da hab ich mir ,Hänsel und Gretel‘ von Humperdinck ausgesucht. Das liebe ich ganz besonders. Aber im Übrigen stecke ich zurück. Es ist in dem Betrieb so: Was ich vor drei Jahren ausgemacht habe, muss ich jetzt ausbaden. Soll aber nicht negativ klingen. Das hat ja auch was Tolles! Aber ich war lang genug unterwegs und hab' ausprobiert, was ich kann; und was ich nicht kann. Irgendwann muss man sich schon fragen, wo sich die Energien in etwas Positives umwandeln lassen – und wo sie nur zu Stress führen.“

Aus dem himmelstürmenden, energetischen Jungstar ist eine besonnene Künstlerin geworden, die ihre Kraft in Hinkunft viel stärker einem anderen Genre widmen möchte: „Am liebsten singe ich Lieder, stelle neue Programme zusammen, vor allem mit deutschen Liedern, weil mir die Arbeit am Text so viel Spaß macht.“ Auf der Opernbühne steht sie gern für ungewöhnliche Projekte wie jenes, das sie zum designierten Wiener Opernchef Dominique Meyer ans Pariser Theater du Champs Elysees führen wird, eine szenische Realisation von Kurt Weills „Sieben Todsünden“, „wozu ich dann gleich auch ein Lieder-Programm einstudieren möchte, mit Liedern von Weill und manch Kabarettistischem“.

Längst vergangen die Zeiten, in denen sie scherzhaft meinte: „Meine liebste Rolle ist die Flora in der ,Traviata‘. Nie kann man so entspannt in einem schönen Kostüm auf der Bühne stehen“. Das sind Erinnerungen an die Anfänge der Laufbahn Angelika Kirchschlagers, die rasch vom Podium der Wiener Kammeroper (unvergessen ihr Auftritt in Massenets „Cherubin“) über die Grazer Oper (dem ersten „Rosenkavalier“) nach Wien aufstieg. Ioan Holender hörte den Grazer Octavian, ein Griff nach den Opernsternen, und fragte die junge Sängerin damals zynisch: „Und was machen sie als nächstes? Die Eboli?“ Er sorgte dann, apropos Flora, für die ruhige und stetige Entwicklung des Talents.

Die Eboli wird übrigens, wie die Dinge liegen, nie drankommen: „Ich werde ja nicht lauter“, sagt Angelika Kirchschlager, „sondern leiser. Ich will ja auch in den Mikrokosmos vordringen.“ Also mehr Liedgesang aus der Kehle der Frau Kammersängerin!

DIE KAMMERSÄNGERIN

Walter Berryund Gerhard Kahry waren die Lehrer der Salzburgerin, die als „Dame“ in Mozarts „Zauberflöte“ an der Kammeroper debütierte. Über Graz kam sie nach Wien, wo sie seit 1994 engagiert ist. Heute, Dienstag, wird sie Kammersängerin.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.06.2007)

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