Philharmoniker: Neujahrskonzert im Wandel der Zeit

Neujahrskonzert. Über die nächste Kartenverlosung im Internet, seltsame Kunden, die Frage, ob ein Philharmoniker Silvester feiern darf, und: Wer dirigiert 2008?

Seit 24 Jahren ist der Wiener Philharmoniker Reinhard Öhlberger auch Kartenverwalter für das Orchester, das Publikum des bevorstehenden Neujahrskonzerts kennt keiner so wie er. Hat es sich in den letzten Jahren verändert? "Die Ostländer haben deutlich mehr Interesse", fällt Öhlberger als Erstes ein. Nachsatz: "Aber wir haben hier keine russischen Oligarchen!" Heuer habe er seines Wissens sogar keinen einzigen russischen Kunden gehabt, erzählt Öhlberger der "Presse". Dafür viele Kroaten oder Ungarn. Höchst spärliches Interesse aus dem arabischen Raum, dafür Australier, aber keine Neuseeländer: "Das ist wohl doch wieder zu abgelegen." Der wirklich exotischste Besuch, an den er sich erinnern kann? Eine Eskimo-Dame.

Teilweise seien die Leute schon "schamlos", verrät Öhlberger: "Einmal haben wir 400 Briefe bekommen, die waren von einem einzigen Koreaner!" Der bekam zur Strafe gar keine Karte. Wenig goutiert werden auch Briefe mit Programmvorschlägen: "Er sei schon zufrieden gewesen mit dem Programm, hat uns einer einmal geschrieben, aber dann hat er aufgelistet, welche Stücke er für das kommende Jahr empfiehlt." Auch interessante Mitteilungen kommen aber - etwa, dass bei der Übertragung im US-Fernsehen die Polka "Eingesendet" mit "Letter to the Editor" übersetzt worden sei. "Dabei heißt ,eingesendet' hier ,rekommandiert'!"

Zumindest ein Teil der postalischen Sorgen hat sich aufgelöst. "Früher hat man die ersten Bestellungen genommen, die im Büro der Wiener Philharmoniker einlangten. Weil am ersten Jännertag schon viel mehr Bestellungen da waren als Karten, war der erste Tag auch schon wieder der letzte." Seit vier Jahren aber werden die Karten einfach verlost. Schon am 2. Jänner beginnt die Anmeldefrist für 2008: Ab da hat man drei Wochen Zeit, sich auf der Website der Wiener Philharmoniker (www.wienerphilharmoniker.at) zu registrieren. Alle Anmeldungen gelten gleich viel, egal, wann sie innerhalb der Frist eingelangt sind. Wie viele waren es im Vorjahr? "Knapp 39.000." 1744 Sitzplätze gibt es im Großen Musikvereinssaal - jeder Zwanzigste hat also Glück? Doch nicht ganz: An die 200 Plätze fallen für die Fernsehteams weg. Außerdem hätten die "beitragenden Mitglieder" der Wiener Philharmoniker ein Vorkaufsrecht, erinnert Öhlberger. "Das sind derzeit 390, und die meisten von ihnen nützen das auch. Auf eine gewisse Art ist das Neujahrskonzert also auch eine Abonnementveranstaltung."

Wer leer ausgeht, kann auf den Schwarzmarkt hoffen, wo die Karten um bis das Dreifache der offiziellen Preise (die reichen von 20 bis 680 Euro) weiterverkauft werden.

Verträgt sich der Auftritt beim Neujahrskonzert mit einer ausgelassenen Silvesterfeier? "Also ich feiere nicht!" Dass einmal jemand auf das Neujahrskonzertspielen verzichte, weil ihm das Feiern wichtiger sei? "Das gibt's nicht. Es ist ja eine Ehrenaufgabe. Aber es sind ja auch nie alle dabei - zum Beispiel nur 14 erste Geigen, insgesamt haben wir 22. Die übrigen spielen am Abend in der Oper die ,Fledermaus'." Dessen Schöpfer Johann Strauß muss sich heuer ein wenig zugunsten seiner Sippe, Bruder Eduard und Johann Strauß Vater, bescheiden. Gleich vier Stücke werden zum ersten Mal bei einem Neujahrskonzert gespielt. Dafür steht Zubin Mehta (nach 1990, 1995 und 1998) zum vierten Mal am Pult.

Aber wer kommt nach ihm? "Das wird am 1. Jänner verraten", sagt Philharmoniker-Vorstand Clemens Hellsberg. In Insiderkreisen gilt Georges Prªtre schon lange als Favorit für eines der nächsten Neujahrskonzerte. 2007 wird er 83 Jahre alt - eine Wahl wäre also naheliegend. Auch für Franz Welser-Möst wäre es langsam Zeit. Und was ist mit Philharmoniker-Liebling Christoph Thielemann - kommt der Meister schwerer Wagner-Klänge auch für leichte Walzertöne in Frage? Wer weiß, vielleicht würde er ein solches Angebot sogar ablehnen? Hellsberg: "So etwas ist noch nie vorgekommen."

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