Wie Bertelsmann und Schüssel in Salzburg die Welt retteten

(c) APA (Bernhard J. Holzner)
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Eine Prestigeveranstaltung unter großem Motto: "Die Vernunft ist die Waage Gottes". Trotz – oder gerade wegen – der reichen Teilnehmerliste: Der "Salzburger Trilog" ist ein Dialog zu viel.

Ist der Konflikt zwischen Arabern und Israelis die „Nachtseite der Vernunft“, in die die Salzburger Festspiele heuer einzudringen versuchen? Wolfgang Schüssel, Joschka Fischer, Maestro Daniel Barenboim, der ehemalige palästinensische Kulturminister Ziad Abu-Amr, außerdem der Großmufti von Bosnien und Herzegowina Mustafa Ceric, neben ihm der Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen Walter Kardinal Kaspar, nicht zu vergessen Außenministerin Ursula Plassnik, die in Deutschland und Israel lebende Kulturphilosophin, Rabbinerin und Martin-Buber-Spezialistin Eveline Goodman-Thau – sie alle sollten in Salzburg darüber diskutieren, und über noch viel mehr, das Verhältnis Vernunft und Glaube überhaupt; in der Universitätsaula, vor einem Panoramabild von Jerusalem, und unter dem großen Motto eines muslimischen mittelalterlichen Gelehrten, Mohammed al-Ghazzali: „Die Vernunft ist die Waage Gottes“. Eine augenscheinliche Entgegnung auf das Zitat eines byzantinischen Kaisers, das Papst Benedikt XVI. in seiner Regensburger Rede verwendet hat.

Der „vernünftige“ Holocaust?

Man kann der deutschen Bertelsmann-Stiftung, die mit Unterstützung des österreichischen Außenministeriums den „Salzburger Trilog“ veranstaltet, eines nicht absprechen: Mit intellektuellen Kleinigkeiten hält sie sich nicht auf, sie geht aufs Ganze: Vernunft und Glaube, Israel und Palästina, das ist schon fast so viel wie Gott und die Welt. Man will sich nicht fragen, wie viel Geld man sich diese Prestigeveranstaltung kosten lässt, und ob es nicht bei einer der vielen konkreten Hilfs- und diplomatischen Aktionen besser aufgehoben wäre. Denn am Ende blieb von der zweimaligen Ringelspielfahrt durch die Statements der Teilnehmer vor allem der Eindruck: Es gibt nicht nur zu wenig Dialog (wie von den Teilnehmenden oft betont), sondern auch zu viel über zu viel, zwischen den falschen (weil unzuständigen) Leuten, und mit den falschen Motiven. Und: Ein Gespräch kann nicht nur viel mehr, sondern auch viel weniger ergeben als die Summe seiner Einzelteile.

Hätte sich Rabbinerin Goodman-Thau nicht erbarmt, die Zuschauer hätten bis zuletzt nicht einmal ein Wort über Zusammenhang und Bedeutung des als Veranstaltungsmotto verwendeten Zitats erfahren. Dafür entdeckten Daniel Barenboim und Goodman-Thau ihre gemeinsame Begeisterung für Martin Buber, nur warum, erfuhr man nicht, für Buber war keine Zeit; Fischer und Ziad Abu-Amr stritten sich ein bisschen, ob die Israelis und Palästinenser gleich schuld oder doch die Israelis mehr schuld seien. Dafür waren sich die zwei Politiker einig, dass Religion aus allen politischen Angelegenheiten ausgeschlossen werden soll.

Die Religionsvertreter wieder waren sich einig, dass Religion einen wichtigen Platz in der Politik haben soll, und überhaupt, dass Vernunft nicht alles sei. Goodman-Thau sagte, sie glaube nicht an die Vernunft, sondern an die Menschen, auch der Holocaust sei eine „Vernunftentscheidung“ gewesen, woraufhin der Kardinal den Holocaust als „unvernünftig“ bezeichnete.

Dazwischen sorgte der für seinen Humor bekannte Großmufti Mustafa Ceric für Auflockerung. So erntete sein wohl nicht ganz unernst gemeinter Vorschlag einer neuen Handelsbeziehung zwischen Ost und West – „ich schlage vor, ihr gebt uns ein paar materielle Sachen, und wir geben euch dafür ein paar spirituelle“ – für ausgelassene Heiterkeit.

Nur der Dirigent brauchte keine Phrasen

Letztlich triumphierte in diesem Trilog nur eine Dame: die Kunst. Und zwar dank Daniel Barenboim: Seit acht Jahren leitet er den West-Eastern Divan Workshop, der jeden Sommer junge Musiker aus Israel und arabischen Staaten zum Musizieren vereinigt: Wenn er, um den idealen Dialog zu erklären, musikalische Vergleiche aus seiner Erfahrung schöpft, zeigt er ohne eine einzige Phrase, wie konkret und wirklich Kunst sein kann.

Zur Orchestermusik gehöre die kontinuierliche Verschiebung von einer Hauptstimme zur Nebenstimme, die zuhöre, sagte Barenboim: „Du lernst zu verstehen, was der andre spielt, auch wenn er momentan dein Ego unterdrückt.“ Das Wesen der Musik sei Dialog: Doch in einem echten Gespräch werde nacheinander geredet, in der Musik gleichzeitig. Und wenn man etwas gleichzeitig mache, müsse man nicht zustimmen. „Musik lehrt einen, sich darüber einig zu werden, dass man nicht einig ist, und trotzdem weiterzumachen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.08.2007)

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