Naturwissenschaft & Religion: „Man soll sich ja kein Bild machen!“

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In den USA formieren sich die „Neuen Atheisten“. Wie halten es österreichische Forscher damit? Eine „Presse“-Rundfrage deutet auf einen wesentlichen Unterschied zwischen Physik und Biologie.

Ich wende mich gegen Gott, alle Götter, alles Übernatürliche“: Mit gewohnter Schärfe ficht Evolutionsbiologe Richard Dawkins in seinem jüngsten Buch „Der Gotteswahn“ sein Lieblingsgefecht – gegen den Theismus. „Als Naturwissenschaftler stehe ich dem Fundamentalismus feindselig gegenüber, weil er das Unternehmen Wissenschaft aktiv torpediert.“ Der Brite Dawkins wurde so zur Leitfigur der vor allem im den USA erfolgreichen Bewegungen der „Neuen Atheisten“ und der „Brights“, die sich für gesellschaftliche Anerkennung des naturalistischen Weltbildes einsetzen.

„Die Versuche in unserer Zeit, religiöse Naturwissenschaftler zu finden, haben etwas Verzweifeltes“, schreibt Dawkins. „Die Presse“ wagte den Versuch an einer Auswahl österreichischer Naturwissenschaftler – und fand bald einen nicht ganz unbekannten Genetiker, der sich zum Christentum bekennt, genauer – zum Katholizismus: Für Markus Hengstschläger braucht Glaube keine Beweise. „Die Religion kann und soll man nicht naturwissenschaftlich ergründen; aber auch die Religion sollte keinen Einfluss auf Naturwissenschaft ausüben.“

Schroeder: Gegen jede Missionierung

„Für mich ist es nicht möglich, Naturwissenschaft und Religion zusammenzubringen“, sagt dagegen Molekularbiologin Renée Schroeder: „Ich habe auch gar kein Bedürfnis nach einem Gottesglauben. Ich finde es einschränkend, zu glauben, dass es etwas gibt, das einen lenkt.“ Würde sie sich also der Bright-Bewegung anschließen? „Nein. Ich bin gegen jede Art von Missionierung, auch gegen atheistische.“

Dawkins mache mit seinen Versuchen, Gott zu widerlegen, spiegelverkehrt die gleichen Fehler wie seine Gegner, meint auch Zoologe Kurt Kotrschal, selbst „Agnostiker, aber kein militanter Atheist“: „Kein Naturwissenschaftler, der seine Sinne beieinander hat, benutzt seine Wissenschaft, um zu belegen, dass es Gott gibt oder nicht. In der Wissenschaft geht es um testbare Hypothesen, die Existenz Gottes ist keine testbare Hypothese.“ – Unter Genetikern und Biologen sind die Theisten dünn gesät, das sagt auch Hengstschläger: „Christ und Genetiker, das ist eine seltene Kombination.“ Anders sieht es bei den Physikern aus: Hier erzählen nicht nur viele über gläubige Kollegen, etliche bekennen sich auch selbst. Walter Thirring, Doyen der theoretischen Physik, etwa als Lutheraner. Wie erklärt er den signifikanten Unterschied zwischen Physikern und Biologen? „Die Biologen sehen sozusagen nur ihr enges Fenster aus der kosmischen Evolution – da meinen sie, sie brauchen den lieben Gott gar nicht...“

Thirring: Kein Bild machen!

Was hält er von Intelligent Design? „Das ist ein bisschen gefährlich. Es würde heißen: Der Plan ist ursprünglich gar nicht so intelligent, er muss noch korrigiert werden. Mir scheint der Plan so zu sein, dass Zufall und Notwendigkeit so zusammenspielen, dass aus dem ursprünglichen Chaos sogar ein Mensch entstehen kann.“ Das Bild eines persönlichen Gottes hält Thirring aber für einen Anthropomorphismus: „Man soll sich ja von Gott kein Bild machen!“

Das sieht sein Kollege Peter Aichelburg etwas anders: „Die Frage ist: Wie wirkt Gott, wenn er wirkt? Die einzige konsistente Antwort darauf ist: durch den Menschen.“ Man müsse sich das Problem, ob alles in der Welt auf physische Phänomene zurückführbar ist, nicht gleich am emotional aufgeladenen Begriff „Gott“ überlegen: „Das betrifft ja auch die Frage: Wo lebt ein mathematischer Satz? Nicht im Raum und nicht in der Zeit!“

Taschner: „Frommer Agnostiker“

Diese Betrachtung sollte Mathematiker Rudolf Taschner sympathisch sein, der sich gern als „Pythagoräer“ bekennt, für den die Zahlen größte Realität besitzen. „Ich glaube, ich bin ein ganz frommer Agnostiker“, sagt er auf die Gretchenfrage: „Das wichtigste Gebot scheint mir in dieser Hinsicht das zweite: Man darf sich kein Bild machen, vielleicht nicht einmal das Wort in den Mund nehmen. Diesen ,Neuen Atheismus‘ in Amerika halte ich aber, ehrlich gesagt, für ein bisschen vorpubertär.“ Reibungen zwischen Wissenschaft und Religion seien „gut, weil sie das Nachdenken fördern, aber sie streben nach Auflösung. Die aber kann nicht von oben dekretiert werden, die muss jeder sich erringen.“

„Für mich“, sagt Mathematiker Erich Peter Klement, „sind Naturwissenschaft und Religion Ergänzung und nicht Widerspruch. Als Zeugen nenne ich den genialen Mathematiker Kurt Gödel. Mit seinem Unvollständigkeitssatz hat er sehr deutlich die Grenzen der Naturwissenschaft aufgezeigt, sodass auf die letzten Fragen des menschlichen Seins nur mehr die Religion eine Antwort zu geben vermag.“

Ähnlich Nachrichtentechniker Gottfried Magerl: „Die Religion beantwortet die Frage nach dem Sinn des Lebens, nach dem Wahren und dem Guten – die Naturwissenschaft befasst sich mit dem Verständnis der materiellen Welt. Die Schwierigkeiten vieler Naturwissenschaftler mit der Religion mögen auch daher rühren, dass sie sich – gleichsam einem der Naturwissenschaft inhärenten Minimumsprinzip folgend – mit der Erkenntnis der materiellen Welt zufrieden geben.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.09.2007)

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