Hühnchen oder Pasta

Haubenmenüs, genießbare Weckerln oder nur harte Kekse: Essbares im Flugzeug braucht meist niemand, essen tut es fast jeder. Theorien zur Beschäftigungstherapie über den Wolken Enjoy your meal!

Als Marco d‘Hart eine Fernbeziehung zwischen Amsterdam und der Türkei pflegte, wollte seine Mutter – wie die meisten Mütter – vor allem eines wissen: Ob der Bube denn unterwegs etwa Gescheites zu essen bekommt? Also fing Herr d‘Hart an, die genossenen Mahlzeiten zu fotografieren. Erst die am Boden, bald auch die in der Luft. Und weil er auch ein begeisterter Internet-User ist, stellte er die Bilder seiner Bordmenüs ins Netz. Das war 2001.
Heute, sechs Jahre später, listet seine Kult-Internetseite airlinemeals.net bereits 18.765 Fotos von 535 Airlines auf. Und es werden täglich mehr: Abbildungen von Essen aller Klassen aller Herren Länder. Dazu wütende Beschwerden à la „Das Brötchen war so hart wie ein Ziegelstein und mit dem dazugelieferten Joghurt hätte man eine Mauer bauen können“ bis zu begeisterten Lobeshymnen auf haubengekrönte, mehrgängige Menüs über den Wolken. Die Seite lebt von den Emotionen der User und der Nachvollziehbarkeit ihrer Situation: „Hier sitze ich eingepfercht zwischen der Rückenlehne und dem Klapptisch, und muss mir die Frage stellen: Will ich lieber Huhn oder Pasta?“

Beschäftigungstherapie

Früher war es öfter mal Huhn oder Lachs. Aber Pasta ist beliebter. Das Huhn wird manchmal auch zum Beef. Nur Schwein ist bei den meis-ten Airlines tabu – aus religiösen und diätischen Gründen. Von 2004 bis 2006 wurden auf vielen Kurzstrecken auch die Gratisweckerln gestrichen. Aus Kostengründen. Stattdessen gab es etwa bei der Austrian kleine Speisen zu kaufen. Weil man aber auf diesen teuer eingekauften Mahlzeiten oft sitzen blieb, war die Sinnhaftigkeit dieses Sparkurses schnell ad absurdum geführt. Außerdem dient das Essen auch als Beschäftigungtherapie und zur Beruhigung. Passagiere, denen langweilig ist und die nervös sind, kommen schnell auf dumme Gedanken. Sie kleben Kaugummi auf die Sitze, zerfleddern die Bordmagazine, drücken Löcher in die Sitzbezüge. Da ist es dann doch besser, ihnen halbwegs Genießbares zwischen die Zähne zu schieben.
Im Zuge einer groß angelegten Qualitäts- und Serviceoffensive hat die Austrian letzten Winter auf Kurz- und Mittelstreckenflügen das Gratis-Catering für Passagiere der Economy Class wiedereingeführt. Gemeinsam mit Aushängeschild Helmut Österreicher hat die Airest eine Produktpalette landestypischer Speisen vom Heurigen-Aufstrich über Rindfleischgerichte bis zum Apfelstrudel entwickelt, die an Bord aufgetischt werden. Ab Sommer übernimmt übrigens Do & Co nach das Austrian-Catering. Das Menü steht noch nicht fest.
Manche Airlines zogen mit dem neuen Standard mit. Andere nicht. Wodurch ein Passagier heute auf einem Euro paflug in der Economy Class kaum weiß, was ihn erwartet. Eine warme Mahlzeit, ein hoffentlich genießbares Weckerl oder doch nur ein paar trockene Kekse. Dauer des Fluges, Uhrzeit und Airline können, müssen aber keine Rückschlüsse auf den zu erwartenden Gaumengenuss geben. Eines gilt allerdings nach wie vor: Wer Business Class fliegt, speist um Klassen besser und ausgiebiger als die Passagiere der gemeinen Holzklasse.
Die Businessmenüs werden oft von Haubenküchen entwickelt und frisch angeliefert, die der Economy Class kommen meist tiefgefroren an Bord. Businesskunden speisen auf Porzellan und trinken dazu ausgesuchte Weine. Economy-Flieger essen meist aus Zellophan oder Plastikschale. „Ich habe auch Gerüchte gehört, dass die Economy-Meals bei Langstreckenflügen mit Zusatzstoffen angereichert werden, die länger satt machen sollen“, berichtet eine Stewardess der Condor, die nicht namentlich genannt werden will.

Einmal Alu bitte

Die Flubegleiterinnen nennen die warmen Economy-Gerichte Alus. Nach den Alufolien, die drumherumgewickelt sind. Vielflieger und Geschäftsleute verzichten auch schon mal auf das angebotene Gratismahl. Da sie im Flugzeug lieber schlafen oder arbeiten, bevorzugen sie, bereits vor Abflug in den Restaurants der Business-Lounge zu speisen. Touristen essen hingegen auch, wenn sie gar nicht hungrig sind. Wobei den Stewardessen weniger der Appetit als die Trinkfreudigkeit mancher Urlaubsflieger zu schaffen macht. Besonders schlimm sind Charterflüge. Weil in 10.000 Metern Höhe Alkohol viel schneller wirkt, arten die leicht zu unangenehmen Sauforgien nach dem „All you can drink-Prinzip“ aus. Warum eines der beliebtesten Getränke an Bord allerdings ausgerechnet Tomatensaft ist, ist bis heute ungeklärt. Auf Erden ein Ladenhüter, gelüstet es auf Flugreisen plötzlich überdurchschnittlich viele Passagiere nach Tomatensaft. Flugbegleiter berichten, dass ein bestellter Tomatensaft im Flugzeug häufig zu einer Ich-auch-haben-wollen-Kettenreaktion führt. Vielleicht liegt es auch daran, dass wir uns in bestimmten Situationen gerne Rituale schaffen. Beim Fliegen dürfte dieser der Genuss von Cracker und Tomatensaft sein.

Picknickkorb in der Luft

Essen und Trinken in luftiger Höhe hat eine lange Geschichte. Schon Ende der 1920er- Jahre gab es bei der „Luft Hansa“ für Kurzstreckenflüge einen Picknickkorb mit Wasser, Wein, Roastbeef, Huhn, Obst und Schokolade. In den 50er-Jahren kamen schon achtzig Prozent der Speisen vorgegart und tiefgekühlt an Bord. Doch wie sieht die Zukunft der Bordverpflegung aus? Experten glauben, dass man bei den meisten Airlines über kurz oder lang doch wieder zur Kassa gebeten wird. Für Essen wird aber nur dann gerne gezahlt, wenn das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt. Bestes Beispiel ist Fly Niki. Für Niki-Passagiere gibt es wie bisher einen Standard-Snack im Flugpreis inklusive. Zusätzlich hat man jedoch die Möglichkeit, bei den Flugbegleitern ein Frühstück, warmes Essen oder eine Gourmet-Selection-Box zu kaufen – je nach Tageszeit und alles in Kooperation mit Demel zubereitet. Auch andere Airlines überlegen die Extramenüwahl zu vergebühren. Grund: Viele bestellen nur aus Neugierde oder in der Hoffnung auf bessere Qualität im Plastikgeschirr über den Wolken.
Doch egal, ob und wie viel serviert wird: Gemeckert wird immer. „Passagiere haben sich immer schon über das Bord-Essen beschwert“, meint Website-Betreiber Marco d‘Hart. Sonst hat man beim Fliegen ja nichts zu tun.

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