Venezuelas Präsident wird zum Diktator

Hugo Chávez dreht „Feindsender“ ab. Die Linke jubelt. Doch vom „Sozialismus“ zum Faschismus ist's nicht weit.

Klar: Ch¡vez ist ein Mensch, mit Versuchungen und Leidenschaften, und die Zukunft wird zeigen, ob er diesen nachgibt. Er könnte ein Diktator werden – aber auch nicht“, sagte der „Presse“ vor einiger Zeit der sandinistische Parlamentspräsident Nicaraguas, Ren© Nº±ez T©llez.

Angesichts der jüngsten Vorgänge in Venezuela muss ein nicht durch Ideologie fremdgesteuerter Beobachter der ersten von Nº±ez genannten Option zur Zukunft von Hugo Ch¡vez zuneigen: Der 52-jährige Ex-Offizier, der die Öl-Großmacht seit 1999 regiert, tut, woran man Diktatoren stets erkennt: Er entzog dem regierungskritischen TV-Sender RCTV die Lizenz, weil er Protestbewegungen und Putschversuche gegen ihn unterstützt habe. Dem oppositionellen Sender „Globovision“ könnte dasselbe drohen: Die Regierung reichte Klage ein, weil der Sender angeblich indirekt zum Mord an Ch¡vez aufgerufen habe – ein Vorwurf, den Globovision-Chef Alberto Ravell sofort als „lächerlich“ zurückwies.

Die Empörung über Ch¡vez, der sich dank Milliarden Petrodollars als linker Heiliger der Armen geriert (und bei der Verbesserung von deren Lebensstandard wirklich einigen Erfolg hat), schwappt über Venezuela hinaus: Das „International Press Institute“ (IPI) verurteilt die Schließung von RCTV als „politisch motiviert“. Beno®t Hervieu, Amerika-Chef von „Reporter ohne Grenzen“, fragt, welches Medium in Venezuela noch die Regierung kritisieren dürfe. „Human Rights Watch“ nennt die Aktion „Zensur“, die „Interamerikanische Menschenrechtskommission“ der OAS „menschenrechtswidrig“. Sogar die sozialistische Präsidentin Chiles, Michelle Bachelet, sagte an die Adresse Ch¡vez' gerichtet: „Die Freiheit des Wortes ist eine goldene Regel.“


Die erwähnten Personen und Institutionen stehen dem Neoliberalismus, den Ch¡vez als „Teufel der Welt“ sieht, fern. Dennoch sehen einige, gerade in Europa, das mit dem Abdrehen nicht genehmer Medien anders: So sandte ein Verein namens „Hands off Venezuela – Österreich“ E-Mails an österreichische Medien, in denen stand, dass die Sache in Venezuela okay sei. Der Wirbel darob sei künstlich, man wolle Venezuela nur unter Druck setzen. Die „neue Medienpolitik“ sei zu verteidigen, da sie vor privaten Monopolen nicht Halt mache. Schließlich bestimmten reiche Medienmacher seit jeher die Inhalte, unterdrückte Schichten hätten keine Medienlobby. Von Beschränkung der Pressefreiheit könne man also nicht reden, sondern von Schritten zur Etablierung des „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“.

Okay: Venezuelas Privatmedien sind keine Lämmer. Sie gehören meist den alten Eliten. RCTV war in seiner Ch¡vez-Kritik oft untergriffig und hat wie Globovision die Putschbewegung gegen Ch¡vez 2002 recht unverblümt unterstützt. Dennoch: In einer halbwegs anständigen Demokratie werden „Feindsender“ nicht geschlossen, Sie haben gehört werden zu dürfen. Wenn es einem nicht gefällt, dass eine Zeitung oder ein TV-Sender nicht gefällig ist, so hat man das böse Medium nicht zu killen, sondern kann selber eines gründen und dann das Volk entscheiden lassen, wo es Frühstücksfernsehen und Nachrichten schaut. Man kann auch empörte Leserbriefe schreiben.

Ölbaron Ch¡vez sollte wenig Probleme haben, große Konkurrenzsender zu gründen. Wenn das Volk so zu ihm hält, wie er tut, müsste es in Scharen zu „Hugo-TV“ überlaufen. Interessanterweise sind die privaten Sender aber gerade auch bei den Armen extrem beliebt – keine Spur vom Klassenkampf im Unterhaltungssektor.


Im Übrigen ist's lustig, dass Alternativlinge   la „Hands off Venezuela“, die sonst gegen die Ölwirtschaft wettern, nichts dagegen haben, wenn – wie Mario Vargas Llosa schreibt – Ch¡vez mit Petrodollars populistisch-autoritäre Tendenzen fördert; immerhin sind auch Parlament, Justiz, Militär und Verwaltung schon auf seiner Linie. Doch die Pro-Ch¡vez- und Anti-G8-Guerilla mit ihren Sprechchören (wo viele gleich schreien, denkt keiner viel) hat von Meinungsfreiheit und Demokratie ihre selektiven Ideen: Die Meinungsfreiheit steht nur auf dem Spiel, wenn es um die Meinung der Linken geht; und die Demokratie ist vor allem gefährdet, wenn die Linke ihre „partizipatorischen“ und „basisorientierten“ Gesellschaftskonzepte und den Rest des deutschen Politikwissenschaftsstudenten-Kauderwelsch der 70er-Jahre in Gefahr sieht.

Aus diesem linksfaschistischen Gedankenbiotop kroch einst die RAF. Dasselbe Biotop köchelt heute in Venezuela vor sich hin. Nur steht dort „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ drauf.

Ch¡vez säubert Fernsehlandschaft Seite 6


wolfgang.greber@diepresse.com("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.05.2007)

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