Leitartikel: Benvenuto in Berlusconistan

Italiens Premier hat den Gag zur Strategie gemacht. Er sollte seine Beliebtheit für Ernsthaftes nutzen.

Die Politik braucht mehr Glamour, mehr Sex. Davon scheint Italiens Premier Silvio Berlusconi fest überzeugt. Er trägt – aus seiner Sicht – ja schon dazu bei: dank Faceliftings, Haartransplantationen und dem, was zumindest er unter Charme versteht. So wird der 72-Jährige nicht müde, in der Öffentlichkeit – teils im Scherz, teils ernst gemeint – mit seiner angeblich umwerfenden Anziehungskraft auf Frauen zu prahlen. Doch Berlusconi allein als sexy Polit-Quotenbringer? Das reicht nicht, dachte sich Berlusconi und wollte deshalb die Liste seiner Partei für die EU-Wahl mit jungen Starlets und Showgirls aufpolieren. Zum Ärger seiner Noch-, aber bald Exfrau Veronica Lario.

Ein Rosenkrieg mit der Frau, der über Fernsehshows und die Kommentarspalten von Zeitungen ausgefochten wird; Busenwunder für das Parlament – all das ist symptomatisch für einen politmedialen Komplex, der sich krakenartig in den vergangenen Jahrzehnten in Italien verbreitet hat.

Schöne Showgirls sind gemäß dieser Logik einfach die besseren Kandidatinnen, da sie ja weit populärer sind als ernsthafte Politikerinnen und Politiker aus der zweiten und dritten Reihe. Politikeinsteigerinnen nur als Aufputz: Das passt genau in eine Fernsehwelt, in der Frauen vor allem nach ihrer Oberweite, der Länge ihrer Beine und dem Kollagengehalt ihrer aufgespritzten Lippen bewertet werden – Politikerinnen und Journalistinnen eingeschlossen.

Berlusconi hat diese Welt miterschaffen: als Medienzar, mit all den seltsamen Shows, die seine Fernsehkanäle seit vielen Jahren über Italien ausschütten. Und als Politiker, als der er ein postpolitisches Umfeld zu kreieren versucht, in dem es vor allem um Show geht, um mehr Glamour, mehr Sex und das perfekte Verkaufen von Versprechen, nach deren Einhaltung später ohnehin niemand mehr fragt.

In dieser Welt sind gute Gags wichtiger als politische Inhalte: Gags über die Hautfarbe des US-Präsidenten; Gags über das – aus Berlusconi-Sicht – bescheidene Kulturerbe der Finnen; oder einfach über körperliche Vorzüge fragestellender Journalistinnen während der Pressekonferenzen. Und viele dieser Gags zeugen nicht nur vom zweifelhaften Geschmack eines wenig witzigen Witzeerzählers, sondern auch von der perfekten Strategie eines Kommunikationsgenies. Denn mit seiner demonstrativen Unernsthaftigkeit gelingt es Berlusconi immer wieder, sich vor Antworten auf ernste Fragen zu drücken. Etwa, als in einer Fernsehshow eine junge Italienerin von ihm wissen wollte, was sie denn tun solle, um angesichts der schwierigen Arbeitsmarktsituation über die Runden zu kommen. Und er ganz einfach antwortete: „Heirate doch einen Sohn von Berlusconi!“ Viele Italiener scheinen ihrem Premier all das zu verzeihen. Wahrscheinlich, weil man gerade in Zeiten der Krise auch unterhalten werden will. Und weil man einfach akzeptiert hat, dass Berlusconi nun einmal so ist, wie er ist. Basta.

Viele Italiener haben Berlusconi ja schon ganz andere Dinge verziehen: etwa, dass er Gesetze zurechtbiegen ließ, um der Justiz zu entgehen. Und dass er nicht nur hübsche Starlets mit Parlamentssitzen und Regierungsposten belohnte, sondern auch viele der gewieften Anwälte, die ihm immer wieder den Kopf gerettet hatten sowie alte Geschäftsfreunde aus dem Medienbusiness. Der Chef vergibt Lehen an seine Günstlinge, in einer Partei, in der Basisdemokratie ein Fremdwort ist.

Dieses System Berlusconi greift in ganz Italien immer weiter um sich. Und der Premier erfreut sich Zustimmungsraten wie selten zuvor. Das liegt nicht nur an seiner Medienmacht und seiner Strategie des geschmacklosen Gags. Die Mitte-Links-Opposition ist zu sehr mit sich selbst beschäftigt, als dass sie dem Regierungschef Paroli bieten könnte. Und Berlusconi hat durchaus Erfolge aufzuweisen – vor allem solche, die sich medial verkaufen lassen: Er beendete das Müllchaos in Neapel. Er machte Bonuspunkte durch die schnelle und überraschend effiziente Hilfe nach der Erdbebenkatastrophe in den Abruzzen. Und trotz weltweiter Wirtschaftskrise scheint ein italienischer Prestigekonzern wie Fiat in der Lage, Firmen wie Chrysler zu übernehmen.

Berlusconi steht aus Sicht vieler Italiener auch für politische Stabilität, etwas, wonach man sich gerade in der Krise sehnt. Er sollte seine Beliebtheit nun dazu nutzen, um Italiens große Probleme anzupacken: die vor allem für Junge prekäre Lage am Arbeitsmarkt, die hohe Staatsverschuldung, die veraltete Infrastruktur. Auch wenn das – zu Beginn – wenig glamourös erscheint.

Berlusconis Italien Seite 1


wieland.schneider@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.05.2009)

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