Kanzler werden, leicht gemacht

Wann begreift die ÖVP endlich: Von Gusenbauer lernen heißt siegen lernen?

Hörbar mühselig sucht die ÖVP derzeit nach einer Antwort auf eine im Grunde ganz einfache Frage: Wie jagen wir den Roten wieder das Kanzleramt ab, und zwar molto flotto, wenn's leicht geht? Den ganzen Aufwand könnte sich die schwarze Truppe freilich sparen. Parteichef Molterer bräuchte nämlich lediglich die politischen Debatten dieses Sommers und die bekannten Ursachen des Wahlsieges (SPÖ) und der Wahlniederlage (ÖVP) bei einem Achterl an seinem geistigen Auge vorüberziehen lassen – schon entstünde ein geradezu unbezwingbarer Plan, Gusenbauer zu entthronen. Und zwar indem die ÖVP endlich akzeptiert: Von Gusenbauer lernen heißt siegen lernen.

Daraus ergibt sich folgende „Agenda Molterer 2010“: 1.Die ÖVP lädt alle anderen Parteien ein, zusammen mit ihr am kommenden 26.Oktober in einem feierlichen Akt die ab sofort gültige 1000-jährige, unwiderrufliche Neutralität Österreichs zu beschwören. Weil uns dann alle liebhaben, können wir nicht nur die Eurofighter, sondern alle anderen Kriegsgeräte bei Ebay versteigern. Die Regierung, so die „Agenda Molterer“ weiter, verdoppelt den dabei eingenommenen Betrag und schüttet ihn als „Neutralitätsgeld“ aliquot an jeden Wahlberechtigten aus (in den vier Wochen vor der nächsten Wahl).
2.Vizekanzler Molterer rechnet in einer weltweit beachteten Grundsatzrede mit dem US-Imperialismus, dessen Nato-Schergen und den willfährigen Raketen-Tschechen hart ab. Dabei kritisiert er auch Minister Darabos, der dies bisher immer nur halbherzig angedeutet hatte, und Minister Buchinger, dessen Solidarität mit Kuba es noch deutlich am notwendigen revolutionären Elan gebricht.
3.Um die Folgen des menschenverachtenden Neoliberalismus zu mindern, senkt die „Agenda Molterer“ das Pensionsalter auf 50 und führt eine Mindestpension von 3000 Euro ein. Der Prozentsatz künftiger Erhöhungen errechnet sich, indem Andreas Khol und Karl Blecha einen Prozentsatz nennen; der höhere wird genommen. Liegt er unter zehn Prozent, werden die beiden Forderungen addiert. Das schafft erstens viele zusätzliche Jobs für Junge und erhöht gleichzeitig die Kaufkraft, finanziert sich also eh selbst. Wenn nicht, sollen eben die Reichen zahlen.
4.Weil ja Wasser Leben ist, wird die ÖVP Österreichs „Wasser-Partei“. Dessen Export wird künftig streng verboten (außer in durchsichtigen Fläschchen von weniger als 100 ml Inhalt, die an der Grenze vorzuweisen sind).
5.Das Sozialministerium soll künftig anstatt der Sozialpartner die jährlichen Lohnerhöhungen in der Privatwirtschaft per Verordnung festlegen. Sie betragen mindestens vier Prozent, vor Wahlen auch mehr.
6.Weil die österreichische Bevölkerung sowohl gegen „das Atom“ wie gegen „das Gen“ ist, wird ein „Atom-Gen-Sperrgesetz“ beides überhaupt verbieten; vor allem Atome in Materie und Gene in Menschen. Eine Physiker-Kommission soll klären, wie das geht.
7.Allfällige Einwände der EU gegen diese visionäre „Agenda“ beweisen nur, wie korrupt die in Brüssel sind, und sind mit einem nationalen Schulterschluss zu beantworten.

Die jüngsten innenpolitischen Debatten zeigen: Hielte sich die ÖVP an diese einfache „Agenda Molterer“, müsste die SPÖ glatt um den Wiedereinzug in den Nationalrat zittern.

Christian Ortner ist Journalist in Wien.


christian-ortner@chello.at("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.09.2007)

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