Sicherheit: „Bürger wollen überwacht werden“

(c) DiePresse (Clemens Fabry)
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Kriminalpsychologe Gerhard Kette über den Wunsch nach Video-Kontrollen – ab 2008 neue Regeln.

WIEN. „Internationale Untersuchungen zeigen, dass die Bürger Videoüberwachung befürworten.“ Mit dieser Aussage lässt Gerhard Kette, Kriminalpsychologe an der Johannes Kepler Universität (Linz), im Gespräch mit der „Presse“ aufhorchen. Eine aktuelle deutsche Studie zeige, so der Experte, dass sich beispielsweise in Hamburg 68 Prozent der Befragten für Videokameras aussprechen.

„In allen europäischen Ländern wird der städtische Raum verstärkt überwacht“, erklärt der Kriminalpsychologe: „Und die Bevölkerung ist darüber nicht wirklich beunruhigt.“ Der Grund: Einerseits würden sich die Menschen sehr schnell an die Überwachung gewöhnen; wie eine Studie aus Großbritannien zeigt, wo heute 4,2 Millionen Kameras im Einsatz sind (siehe unten).

Andererseits wird diese „Einschränkung des subjektiven Gefühls von Freiheit“ im öffentlichen Raum mittlerweile akzeptiert, so Kette. Ein Paradigmenwechsel: „Früher gab es ein starkes Bewusstsein, dass der ,Überwachungsstaat‘ bekämpft werden muss.“ Heute sei die Angst vor Diebstahl, Gewalt und Terror stärker. „Parallel zur Terrorismusbekämpfung ist der Ruf nach besserten Überwachungsmaßnahmen laut geworden.“

Behörde erstickt in Anträgen

Das zeigt sich auch an der steigenden Zahl der Überwachungsanlagen in Österreich. „In den letzten eineinhalb Jahren hat sich die Zahl der Anmeldungen mehr als verzehnfacht. Die Leute glauben offenbar, sich auf diese Art schützen zu müssen“, so Waltraut Kotschy, Leiterin der Datenschutzkommission im Bundeskanzleramt. Dort müssen sich alle Käufer von Überwachungskameras mit Recorder melden und den Antrag begründen. Zumindest theoretisch. Denn tausende Überwachungskameras sind derzeit illegal im Einsatz, schätzt die Datenschutzkommission.

Ein weiteres Problem: Für die Bewilligung von privaten Videoanlagen gibt es keine klaren Richtlinien. Kotschy: „Derzeit regelt das der Datenschutz. Aber die Bestimmungen sind sehr allgemein.“ Bis (frühestens) Anfang 2008 sollen neue Richtlinien für die Videoüberwachung erarbeitet werden, die in eine gesetzliche Regelung fließen sollen.

Und derzeit? „Wir kommen mit der Bearbeitung kaum nach“, so Kotschy über den Boom im Bereich der privaten Videoüberwachungen. Bisher wurden vom Datenschutzrat rund 330 private Genehmigungen erteilt; öffentlichen Institutionen etwa 60. Kotschy: „Die nutzen Kameras in großen Mengen.“

Die Mehrheit entscheidet

Gleichzeitig zieht die heftig geführten Diskussion über die Videoüberwachung in Wiener Gemeindebauten – im Kampf gegen Vandalismus und Kriminalität – immer weitere Kreise. Dabei scheinen Datenschützer auf verlorenem Posten zu stehen. Denn Gemeindebau-Mieter stehen „Big Brother“ mehr als positiv gegenüber. „Es gibt Probleme in Müllräumen und Garagen. Wir haben sicher nichts dagegen, wenn dort punktuell Überwachungskameras aufgestellt werden“, erzählt Manfred Breitenegger aus eigener Erfahrung. Für den Sprecher der Plattform „Mieterecho“ (einem Zusammenschluss Wiener Gemeindebau-Vertreter) ist die Voraussetzung allerdings die Zustimmung der Datenschutzkommission. Dort liegt derzeit der Antrag für die Überwachung der Wiener Gemeindebauten; eine Entscheidung soll noch heuer fallen.

Trotzdem wird es Mieter geben, die sich gegen eine Videoüberwachung wehren. „Es wird sicher keine hundertprozentige Zustimmung in einem Gemeindebau geben“, gibt Breitenegger zu: „Deshalb soll die Mehrheit entscheiden.“ Und: „Falls Wiener Wohnen den Boden für derartige Befragungen aufbereitet, sind die Mieterbeiräte gerne bereit, die Umfragen vorzunehmen.“

Die Zufriedenheit der Alt Erlaa-Bewohner mit der (seit einem Jahr laufenden) Videoüberwachung sorgt gleichzeitig für Dynamik. In den Gasometern artikulieren einigen Mieter ebenfalls den Wunsch nach Überwachung. Seitens des gemeinnützigen Wohnbauträgers Gesiba heißt es: Wenn Mieter das möchten, könne man darüber reden.

WAS BISHER GESCHAH

www.mieterecho.atEin Dutzend Gemeindebauten fordert Videoüberwachung an neuralgischen Punkten (Tiefgarage etc.); im Kampf gegen Vandalismus, Kriminalität. Jetzt läuft eine heftige öffentliche Diskussion darüber.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.08.2007)

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