Droht der Türkei die Austrocknung?

Nach Schätzungen könnten aufgrund der Erosion 89 Prozent der Fläche der Türkei zur Wüste werden.
Nach Schätzungen könnten aufgrund der Erosion 89 Prozent der Fläche der Türkei zur Wüste werden.(c) Reuters
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Wasserknappheit. In Istanbul werden die Wasserreserven knapp. Der größte See des Landes schrumpft stetig. Doch niemand scheint dagegen etwas zu unternehmen.

ISTANBUL. Seit Wochen wirbt die Stadtverwaltung von Istanbul mit großen Plakaten für weniger Wasserverbrauch. Noch nie waren die Wasserreserven der 12-Millionen-Metropole am Bosporus auf einem so niedrigen Stand wie in diesem Jahr und vor der Türe steht ein heißer Sommer.

Istanbul ist kein Einzelfall, die Wasserreserven der Hauptstadt Ankara sind sogar noch geringer und ähnlich geht es vielen Städten in der Türkei. Die momentane Wasserkrise ist die Folge eines regenarmen Winters, kombiniert mit einem heißen Sommer, und das kann es immer mal geben. Zugleich aber häufen sich die Alarmsignale, die für einen Wechsel zumindest des lokalen Klimas in der Türkei sprechen.

Bei der Stadt Burdur in Südwestanatolien erstreckt sich der Yarisli Gölü, normalerweise eine glitzernde blaue Fläche, die Tausende von Flamingos bevölkern. Normalerweise trocknet dieser See im Herbst aus. Dieses Jahr ist er schon im Frühjahr ausgetrocknet.

In Mittelanatolien erstreckt sich die Konya-Ebene, das Kornfeld der Türkei mit einer durchschnittlichen Jahresproduktion von 1,8 Mio. Tonnen Weizen. Doch in den letzten Jahren ist die Ebene immer trockener geworden. Die Kreisversammlung hat daher dem Ministerpräsidenten empfohlen, die Region zum Katastrophengebiet zu erklären. Die Kammer der Landwirtschaftsingenieure rechnet mit einem Rückgang der Weizenernte um mindestens 50 Prozent. Nach Auskunft des Vorsitzenden, Hasan Hüseyin Motuk kann in diesem Jahr nur noch mit künstlicher Bewässerung angebaut werden.

50 Prozent weniger Ernte

Doch woher das Wasser nehmen, wenn es nicht vom Himmel fällt? Der Verbrauch unterirdischer Wasserreserven ist neben ausbleibenden Niederschlägen einer der Gründe für das Austrocknen der Konya-Ebene. Der Vorsitzende der Kammer der Geologieingenieure, Tahir Nalbantci, sagt, dass von etwa 60.000 Brunnen, 28.000 ohne Genehmigung gegraben wurden. „Wenn das so weitergeht wird es keine fruchtbaren Flächen mehr geben“, klagt Nalbantci.

Meldungen, die auf eine sich ausbreitende Trockenheit hindeuten, gibt es zu Hauf. Seit 1995 ist etwa der Wasserspiegel des größten Sees der Türkei, des Van Sees, kontinuierlich um 1,6 Meter gesunken. Andere Gewässer, kleine Flussläufe und Seen sind ganz oder so gut wie ganz verschwunden.

Ein weiteres Problem, das zur Verwüstung der Landschaft beiträgt, ist die atemberaubende Boden-erosion. In den letzten Jahrzehnten wurde vor allem im Westen des Landes erfolgreich aufgeforstet. Doch den Trend zur Erosion hat dies nicht stoppen können. An anderen Stellen wurde weiter unkontrolliert abgeholzt und die traditionelle Weidewirtschaft aufgegeben, die ebenfalls zur Stabilität der Böden beigetragen hat. Nach Schätzungen könnten aufgrund der Erosion 89 Prozent der Fläche der Türkei zur Wüste werden.

Kein Wahlkampfthema

Es herrscht Wahlkampf im Land, und die Türken bekommen das Paradies auf Erden versprochen. Ganz gleich wem sie im Juli die Stimme geben, alle versprechen Wunderbares. Die Bauern werden für ihre Erdnüsse den doppelten Preis erhalten und ihren Diesel verbilligt bekommen. Nur den Kampf gegen Trockenheit und Bodenerosion und somit dem Verlust von Existenzgrundlangen, den spricht niemand im Wahlkampf an.

Lexikon

In der Türkei kämpft besonders die Konya Ebene, die Kornkammer des Landes, gegen Trockenheit. Von der üblichen Erntemenge (1,8 Mio. Tonnen Weizen) dürften heuer nur 50% eingebracht werden. Die Regionalregierung will das Gebiet zur Katastrophenregion erklären.

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