Tschechien: Mit Plastik gegen Eisendiebe

Budweis lässt sich die Gullydeckel nicht mehr klauen.

Prag. Eigentlich tragisch, was sich unlängst auf einem früheren Betriebsgelände der Eisenhütte Kladno bei Prag abspielte: Schrottjäger machten sich bei Nacht und Nebel über eine alte Fabrikshalle her. Mit Schneidbrennern rückten sie den Eisenpfeilern zu Leibe. Dummerweise hatten diese eine tragende Funktion. In der Folge krachte das ganze Gebäude in sich zusammen. Zwei der Diebe wurden auf der Stelle getötet, weitere zwei schwer verletzt unter den Trümmern begraben.

Metalldiebstahl aufgrund steigender Eisenpreise findet immer wieder Eingang in die Schlagzeilen tschechischer Zeitungen. Die Geldgier macht vor nichts halt. So montierten Unbekannte jüngst 48 Bronzereliefs von sowjetischen Soldatengräbern ab, was ein Protestschreiben der russischen Botschaft ans Prager Außenministerium zur Folge hatte. Unlängst wurden sogar Kabel einer Hochspannungsleitung geklaut oder Eisenbänke von durch Kameras bewachten Bahnsteigen der Prager Metro. Auch einen Panzer aus dem Zweiten Weltkrieg, mühsam in Einzelteile zerlegt, fanden Fahnder auf einem Schrottplatz.

Verletzungen bei Dunkelheit

Zu den beliebtesten Objekten der Begierde gehören Gullydeckel. Mit schlimmen Folgen: Bei Dunkelheit passierte es schon, dass Menschen in plötzlich ungeschützte Kanalöffnungen fielen und sich Verletzungen zuzogen. Wiederholt mussten auch Autos wegen Schäden, die von fehlenden Gullydeckeln herrührten, in die Werkstatt. Für die Städte ist das unangenehm: Sie sehen sich Entschädigungsforderungen der Betroffenen ausgesetzt.

Das südböhmische Budweis hat nun zu ungewöhnlicher Selbsthilfe gegriffen: Der Stadtrat beschloss, die gusseisernen Kanaldeckel durch solche aus Plastik zu ersetzen. Rein optisch, so heißt es, seien die Kunststoffdeckel kaum von den metallenen zu unterscheiden. In jedem Fall verfügten sie über deren Festigkeit und könnten nicht so ohne weiteres zu Geld gemacht werden. Die ersten Deckel wurden bereits ausgewechselt. Billig ist der Deckeltausch nicht. Die Stadt spricht von mehreren Millionen Kronen, die die Aktion kosten werde. Womögliche Entschädigungsforderungen verletzter Bürger lägen jedoch ungleich höher, sagte der Vize-Oberbürgermeister Rudolf Vodivka im Prager Rundfunk.

Wenig Geld, viel Ärger

Richtig Geld mit dem Diebesgut machen jedoch nicht die Diebe, sondern die Schrotthändler. Für einen Gullydeckel zahlen sie gerade mal 200 Kronen, ein Zehntel des tatsächlichen Schrottwertes. Kein Wunder, dass es endlich Überlegungen gibt, den Schrotthändlern den Ankauf erkennbaren Diebesgutes bei Strafe zu untersagen.

Die Witzemacher sind jedenfalls angestachelt. Ihre neue Kreation lautet: „Weshalb regt sich Putin über die bei uns geplante US-Rakentenabwehrstation auf? Das Ding wird maximal drei Tage stehen, bis sich jemand findet, der es in Einzelteilen auf dem nächsten Schrottplatz verscherbelt.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.09.2007)

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