Leben mit Aids in Afrika: „Ich bin ein Beispiel dafür, dass es geht“

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Der Kenianer Vincent Oluoch spricht darüber, wie sich sein Leben trotz Krankheit positiv entwickelt hat.

WIEN. „Die Krankheit hat meine Perspektive verändert. Meine Lebensweise, meine Beziehungen. Ich bin sehr glücklich.“ Vincent Oluoch (40) weiß seit vier Jahren, dass er Aids hat. „PLWHAS advocate“ steht in großen Lettern auf seinem T-Shirt: „People living with HIV and Aids“. Oluochs Leben hat sich – trotz Krankheit – positiv entwickelt. Und auch für andere Betroffene setzt sich der Lehrer intensiv ein. Der Kenianer ist in Selbsthilfegruppen aktiv, hat Netzwerke gegründet. Bei regelmäßigen „Outreaches“ ist Oluoch in entlegenen Gebieten Kenias zwecks Aufklärung und Bewusstseinsbildung unterwegs.

Jetzt befindet sich der Aids-Aktivist zum ersten Mal in seinem Leben außerhalb Afrikas. Auf Einladung der Hilfsorganisation „Ärzte ohne Grenzen“ ist er nach Wien gekommen, um seine „HIV-positive“ Lebensgeschichte zu erzählen. „Ich bin ein Beispiel dafür, dass es geht.“

„Wollte eigentlich nur sterben“

Vor fünf Jahren sah alles noch sehr düster aus. Oluoch war gesundheitlich schlecht beisammen und knapp daran, aufzugeben. Nach dem Tod seiner Frau und dann seiner Lebenspartnerin gab er die beiden Kinder zur Großmutter in Obhut. „Ich wollte eigentlich nur noch sterben.“ Oluoch hatte Angst davor, sich einem Aids-Test zu unterziehen. In der Schule, in der er arbeitete, bekam er wegen allzu häufiger Krankenstände Probleme.

Schließlich war es genug. Oluochs Mutter, die bei einer lokalen Aids-Organisation tätig war, drängte ihn zur Untersuchung. Der Test fiel positiv aus – „eigentlich war ich gar nicht so geschockt. Ich hatte es erwartet.“ Zusätzlich zur medizinischen Behandlung (ARV, Antiretrovirale Therapie) nahm Oluoch regelmäßig an Gruppentherapien teil und „schöpfte wieder Mut“. Auch gesundheitlich kam es binnen einem Monat zu einer „großen Veränderung: Die ständigen Schmerzen, die Müdigkeit und das Kopfweh waren weg. „Meine Gesichtsfarbe wurde besser.“

Oluoch stellte seine Ernährung um, gab das Rauchen und das regelmäßige Trinken auf. Seit dem Beginn der Behandlung ist er wieder in der Lage, voll als Lehrer zu arbeiten, Montag bis Freitag. „Ich bin okay.“ Mehr noch: Er ist wieder glücklich verheiratet, das Paar lebt mit insgesamt drei Kindern zusammen. Auch seine Frau ist HIV-positiv. Mit den Kindern wird offen über die Krankheit diskutiert.

Kein Problem mit Stigmatisierung

Offenheit ist für Oluoch, der bei seinem Coming-out vorwiegend positive Erfahrungen gemacht hat, extrem wichtig. Sowohl im privaten Leben als auch in der Öffentlichkeit. Er sieht es als eine Art Kreuzzug an, andere zu informieren, nicht zuletzt über die Medikamente, an die viele nicht glauben. Sein Beruf kommt ihm dabei gelegen: „Einem Lehrer glaubt man eher.“ Bei manchen Veranstaltungen hätten sich sofort Leute zum Aids-Test gemeldet.

Zugleich macht sich Oluoch keine Illusionen: „Es gibt keine Heilung, keine Garantie. Wir haben schon einige Menschen auf unserem Weg verloren. Aber die Behandlung verlängert das Leben.“ Und für Oluoch ganz offensichtlich auch die Lebensqualität.

Er selbst hat kein Problem mit seinem Umfeld. Stigmatisierung sei aber sehr wohl ein Thema. „Vor allem HIV-positive Witwen sind oft in einer schwierigen Lage. Sie werden quasi beschuldigt, ihre Männer umgebracht zu haben. Oft nimmt man ihnen Land und Kinder weg.“ In der Gruppe versucht man in solchen Fällen zu intervenieren, redet mit der Familie, der lokalen Polizei und den Behörden.

Positive Entwicklung bei HIV

In Wien spricht Vincent Oluoch am Samstag bei der Eröffnung der „Ärzte-ohne-Grenzen“-Ausstellung POSITHIV+ im Semperdepot. Der spanische Fotograf Pep Bonet zeigt dort in 39 Bildern die Auswirkungen einer positiven Entwicklung bei HIV/Aids. Durch die Verfügbarkeit von bezahlbaren Medikamenten ist die Infektion auch in Afrika behandelbar. Laut „Ärzte ohne Grenzen“ hat sich seit 2000 bei der Behandlung sehr viel getan. Es gibt gute Medikamente, welche die Lebensqualität extrem erhöhen. Zunächst hatte man befürchtet, dass die neuen Medikamente für Afrika zu teuer und die Behandlung dort schwer administrierbar sei. Die Kosten von 10.000 Euro pro Person pro Jahr würden jedoch mit Generica auf 130 Euro pro Jahr gesenkt.

ZUGANG ZU THERAPIE

Seit rund zehn Jahren gibt es bei Aids die wirksame antiretrovirale Therapie (ARV), seit einigen Jahren sind die Preise für die Medikamente so gesunken, dass die Therapie auch für Menschen in Afrika erschwinglich ist. Bisher hat trotzdem nur etwa ein Viertel der HIV-Patienten Zugang zu einer wirksamen Therapie. Jährlich sterben weltweit mehr als 2 Mio.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.12.2007)

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