Schengen: Ab 2008 freie Fahrt in alle Nachbarstaaten

(c) DiePresse (Clemens Fabry)
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Grenzkontrollen zu Nachbarstaaten im Osten und zur Schweiz und Liechtenstein fallen. Ein Teil der 3000 Polizisten, die derzeit die Einreise kontrollieren, wird in Ballungszentren verlegt.

BRÜSSEL. Die Staus an der Grenze sind bald Vergangenheit. Spätestens ab Ende 2008 können die Österreicher ohne Kontrollen in alle Nachbarländer reisen. Das „Schengenland“ werde wachsen und „ganz ohne Zahnlücken“ sein, wie es Österreichs Innenminister Günther Platter am Dienstag beim EU-Innenministerrat in Brüssel ausdrückte.

Die 27 Innenminister bestätigten dort den Fahrplan zur Schengen-Erweiterung. Demnach sollen ab 1. Jänner 2008 die Grenzkontrollen zu Österreichs östlichen Nachbarländern Tschechien, der Slowakei, Ungarn und Slowenien fallen. Auch Polen, Estland, Lettland, Litauen und Malta öffnen ihre Grenzen zu den bisherigen 15 Schengen-Ländern. Für Zypern gilt das nicht, weil dort erst ein neuer schengenreifer Flughafen in Larnaka entstehen soll, es dürfte ab 2009 „Schengen-fit“ sein.

Bereits ab Ende 2008 sollen, so Platter, auch die Nicht-Mitglieder „im Herzen Europas“, das Fürstentum Liechtenstein und die Schweiz, dazugehören: Es sei nicht einzusehen, dass dort eine Lücke im System bestehen bleibe. Die beiden Länder bräuchten aber noch mehrere Monate, um ihre Computersysteme und ihr Personal aufzurüsten und zu schulen. Die jüngsten EU-Mitglieder Bulgarien und Rumänien dürften erst ab 2011 so weit sein.

Obwohl die EU-Innenminister den politischen Willen zur Schengen-Erweiterung bestätigten, gaben sie noch nicht endgültig Grünes Licht. Denn bis Oktober warten die Minister noch auf die „Evaluierungsberichte“ dreier Expertenteams, von denen eines von einem Österreicher geleitet wird und die anderen beiden ebenfalls österreichische Fachleute enthalten. Die Experten prüfen, ob alle Schengen-Bewerber (noch ohne Liechtenstein und die Schweiz) ausreichend technisch und personell ausgerüstet sind, um die Außengrenze der Union künftig bestmöglich sichern zu können.

EU-Innenkommissar Franco Frattini erwartet einen positiven Bericht. Er hält sogar eine vorzeitige Grenzöffnung noch vor Weihnachten für möglich. Bis November wünscht sich Frattini eine endgültige Entscheidung.

Hochrüstung der Außengrenze

Auf die neuen Schengen-Mitglieder warten heikle Aufgaben: Illegaler Zuwanderung sowie Schlepperwesen aus Nordafrika und dem Osten muss Einhalt geboten werden. So muss etwa Polen den Zuzug von illegalen Einwanderern und Schmuggel aus Weißrussland und der Ukraine eindämmen. Eine wichtige Voraussetzung für die neuen Schengen-Länder ist der Anschluss aller Grenzstellen an das Computer-Informationssystem SIS. Es ermöglicht den Zugriff auf alle Daten gesuchter Personen und Fahrzeuge.

Assistenzeinsatz läuft aus

Für Österreich bringt die Schengen-Erweiterung eine Entlastung bei den Kontrollen zu den östlichen Nachbarländern mit sich. So wird das Bundesheer nicht mehr für Assistenzeinsätze benötigt. Es soll nur noch während einer Übergangsfrist bis September 2008 an der Ostgrenze stationiert bleiben.

Auch die 3000 Polizisten, die derzeit die Grenze zu Tschechien, Slowakei, Ungarn und Slowenien kontrollieren, werden neue Aufgaben erhalten. Platter kündigte noch in Brüssel an, dass ein Teil von ihnen nahe der Grenze für die sogenannte Schleierfahndung (verdachtsunabhängige Personenkontrollen) benötigt werde.

Wie das Büro von Beamtenministerin Doris Bures bestätigt, hat sich der Ministerrat bereits darauf verständigt, dass nach der Schengen-Erweiterung ein Teil der Sicherheitskräfte in Ballungszentren wie etwa Wien verlegt werden könnte. Dem Vernehmen nach sind auch Einsparungen angedacht. Bisher waren Sicherheitskräfte sowie Bedienstete im Bildungssektor von den Personalkürzungen im Öffentlichen Dienst ausgenommen.

WISSEN

Schengen-Informationssystem. Die Computer-Datenbank SIS versorgt alle Grenzstationen mit Informationen über gesuchte Personen und Fahrzeuge. Künftig soll sie auch einen Zugriff auf biometrische Daten ermöglichen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.09.2007)

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