Ein Sarbanes Oxley Act für Europa

Bilanzskandale: Die EU legt ab 2008 strengere Maßstäbe an die Sorgfalt bei Erstellung des Jahresabschlusses. Abschlussprüfer und Manager sollten sich schon jetzt darauf vorbereiten.

WIEN. Europas Aktionäre werden ab 5. September 2008 deutlich besser schlafen als heute – zumindest jene, denen bisher die Vertuschung von Verlusten durch Konzernvorstände und das gnädige Wegschauen von Abschlussprüfern bei groben Bilanztricksereien böse Träume beschert haben. Spätestens bis zu diesem Tag müssen die EU-Staaten nämlich die Richtlinie 2006/46/EG in ihre nationalen Rechte umsetzen. Damit müssen sie ein Regime einführen, das den strengen amerikanischen Regeln über die Unternehmensberichterstattung nahe kommt, die vor fünf Jahren im Gefolge der Bilanzskandale um Enron und Worldcom unter dem Namen „Sarbanes Oxley Act“ (SOX) in Kraft getreten sind (die Kongressabgeordneten Paul Sarbanes und Michael Oxley waren die Initiatoren dieses US-Gesetzes).

Strenge Aufgabentrennung

Natürlich hat die EU-Kommission nicht 1:1 von den USA abgeschrieben. Drei der Neuerungen, die diese EU-Vorschrift gemeinsam mit der bis 29. Juni 2008 umzusetzenden Richtlinie 2006/43/EG über Abschlussprüfungen auch in Österreich bringen wird, haben es aber in sich.

Da wäre erstens die strenge Trennung von Abschlussprüfung und Beratungsdiensten, die (um die Kommission zu zitieren) „solcher Natur sind, dass sie nahezu immer die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers negativ beeinflussen“. Es wird also künftig unzulässig sein, sein Testat unter den Jahresabschluss eines Unternehmens zu setzen, dem man zuvor bei der Buchhaltung oder der Bewertung des Betriebsvermögens geholfen hat. Das ist in Österreich dringend notwendig, meint Gesellschaftsrechtler Johannes Reich-Rohrwig, Partner von CMS Reich-Rohrwig Hainz. „Ich würde noch viel strenger dazu zwingen, Prüfung und Beratung zu trennen. Da fehlt das echte Unrechtsbewusstsein.“

Der zweite hoch interessante Aspekt von „Euro-SOX“ steckt in Artikel 42 der Richtlinie 2006/43/EG. Darin steht geschrieben, dass Prüfer frühstens zwei Jahre nach dem Ausscheiden aus der Prüfungsgesellschaft eine „wichtige Führungsposition“ in der geprüften Firma übernehmen dürfen. „Diese Cooling-off-Periode wird eine Crux bei der Umsetzung sein“, sagt Georg Schima, Partner der Wiener Anwaltskanzlei Kunz Schima Wallentin. „Österreich muss definieren, was darunter zu verstehen ist: nur Organe? Oder vernünftigerweise auch der Leiter des Rechnungswesens?“

„Sicher mehr Haftungsfälle“

Die beiden genannten Neuerungen zwingen in erster Linie die Prüfungsgesellschaften dazu, schon jetzt entsprechende interne Vorkehrungen zu treffen. Eine dritte Neuerung wird hingegen nach Ansicht der beiden zitierten Gesellschaftsrechtler den Unternehmen selbst – allen voran Vorständen und Aufsichtsräten – einiges Kopfzerbrechen bereiten.

Die Richtlinie 2006/46/EG schreibt eine kollektive Verantwortung von Vorstand und Aufsichtsrat für die Richtigkeit von Jahresabschluss, Lagebericht und Erklärung zur Unternehmensführung vor. Aktiengesetz und GmbH-Gesetz entsprechen dieser Anforderung zwar schon jetzt.

„Bloß ist offen, welche Auswirkung dieser Punkt der Richtlinie auf die abgestufte Ressortverteilung hat“, sagt Schima. Sprich: Können sich die übrigen Vorstandsmitglieder künftig von persönlicher Haftung für einen Schaden durch falsche Angaben in der Bilanz freimachen, weil ja nur der Finanzvorstand für das Berichtswesen zuständig war? Oder haften auch sie? „Das wäre ziemlich praxisfremd, ich würde es nicht begrüßen“, meint Schima.

Für unachtsame Vorstände und Aufsichtsräte dürften aber ab 2008 in jedem Fall härtere Zeiten anbrechen – und zwar auf dem Umweg der Rechtsprechung. „Die Richter orientieren sich nämlich in Zweifelsfällen an konkreten Vorschriften“, sagt Reich-Rohrwig.

EU BRINGT STRENGERE PRÜFVORSCHRIFTEN

Die Richtlinie 2006/43/EG
präzisiert die Pflichten von Abschlussprüfern, erleichtert die Zusammenarbeit von Europas Aufsichtsbehörden und stärkt so das Vertrauen in die Finanzmärkte. Österreich muss sie bis zum
29. Juni 2008
in heimisches
Recht umsetzen.

Die Richtlinie 2006/46/EG bringt strengere Unabhängigkeitsanforderungen für Prüfer und Kollektivhaftung des Vorstandes für die Richtigkeit der Buchführung. Sie ist bis 5. September 2008 umzusetzen. AktG, GmbHG, das Societas-Europaea-Gesetz und das UGB müssen novelliert werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.05.2007)

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