Raumordnung: "Bürgermeister sollen Baukompetenz abgeben"

Industrie fordert Bauverbot für Private in "Infrastruktur-Korridoren" für Straßen und Leitungen.

wien. Weil der Infrastrukturausbau durch komplizierte Verfahren und zunehmende Einsprüche immer stärker ins Stocken gerät, meldet sich die Industriellenvereinigung (IV) nun mit einem brisanten Vorschlag zu Wort: Die Bürgermeister sollten ihre Kompetenz als Baubehörde erster Instanz an die Bezirkshauptmannschaften abtreten und die übergeordneten Raumordnungskompetenzen sollten bei den Ländern, noch besser aber beim Bund konzentriert werden. Das verlangt der stellvertretende Generalsekretär der IV, Peter Koren, im Gespräch mit der "Presse". Der Bund solle dann österreichweit "Infrastruktur-Korridore" festlegen, in denen dann nicht mehr gebaut werden darf - außer eben Infrastruktur wie Straßen, Gas- oder Stromleitungen.

Sollte es nicht gelingen, Flächen für den Infrastrukturausbau frei zu halten, dann werde der Ausbau der heimischen Infrastruktur bald zum Stillstand kommen, sagte Koren im Gespräch mit der "Presse". In anderen Bereichen werde das ja schon erfolgreich praktiziert: "Es gibt ja auch Natura 2000 Flächen, die nur eingeschränkt genutzt werden können". Nach ähnlichem Muster könnten Infrastruktur-Korridore funktionieren.

Das größte Problem ortet Koren in den Gemeindestuben: Die Bürgermeister seien mit ihren Flächenwidmungs- und Bauordnungskompetenzen heillos überfordert. Besonders in Zeiten, in denen die obersten Gemeindebürger um ihre Wiederwahl kämpfen, werde nach der Methode "Sie wünschen, wir spielen" nach den Bedürfnissen der Gemeindebürger kräftig umgewidmet. Die Folge sei die für jeden sichtbare Zersiedelung des Landes.

Dies wiederum mache Infrastrukturbauten so schwierig: In einem zersiedelten Gebiet stoße jedes Straßen-, Eisenbahn- oder Leitungsprojekt auf eine Vielzahl von Betroffenen. Und provoziere damit eine Unzahl von Einsprüchen, was Bauverfahren unnötig in die Länge ziehe. Ein Teil der Infrastrukturprobleme sei zweifellos darin zu suchen, dass sich Genehmigungsverfahren für Infrastrukturprojekte oft über Jahre hinziehen. Im Falle der 380 KV-Leitung in die Steiermark sogar über Jahrzehnte.

Koren: "Diese Kompetenzen müssen von den gewählten Bürgermeistern weg zu den Bezirkshauptmannschaften, die bei Widmungen nicht immer Wählerstimmen im Hinterkopf haben müssen". Das würde die Durchsetzung von größeren überregionalen Raumordnungskonzepten wesentlich erleichtern.

Um- und Fehlwidmungen auf Gemeindeebene behindern aber nicht nur Infrastrukturausbauten, meint der stellvertretende IV-Generalsekretär. Auch die ansässigen Unternehmen würden in ihrem laufenden Betrieb und vor allem bei Betriebserweiterungen schwer behindert. Eine Verlagerung der Kompetenzen könnte bewirken, dass "auch auf die längerfristigen Bedürfnisse der Wirtschaft ein bisschen mehr Rücksicht genommen wird".

Übergeordnete Raumordnungskompetenzen sollten bei den Ländern, besser aber noch beim Bund konzentriert werden, verlangt Koren. Das würde beispielsweise die überregionale Konzeption von Industrieparks erlauben und die Clusterbildung, die bisher in der Autozulieferindustrie oder in der Holzindustrie sehr gut funktioniert hat, erleichtern. Die Ansiedlung neuer Projekte würde leichter fallen, wenn solche Konzepte vorlägen, meint der IV-Experte.

Am wichtigsten sei aber die überregionale Schaffung von Infrastruktur-Korridoren. In diesen festzulegenden Regionen müsste ein generelles Bauverbot verhängt werden - ausgenommen eben Projekte der Infrastruktur. Nur so könne der notwendige Ausbau des Straßen- und Leitungsnetzes in einem vernünftigen Zeitrahmen realisiert werden. Die Forderung nach der Schaffung von Infrastruktur-Korridoren ist Teil eines elf-Punkte-Programms, mit dem die Industrie eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und eine Attraktivitätssteigerung des Standorts für Betriebsansiedlungen erreichen will.

Einer der Kernpunkte darin ist die Durchforstung des UVP-Rechts. Derzeit zeichne sich die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP), der praktisch alle Großprojekte unterzogen werden müssen, vor allem durch überlange Verfahrensdauer und hohe Rechtsunsicherheit aus. Speziell bei Verkehrsprojekten solle ein konzentriertes Genehmigungsverfahren entwickelt werden, verlangt Koren. Auch bei Energieprojekten seien Verfahrensbeschleunigungen anzustreben.

Verbesserungspotenzial sehen die Industriellen auch im Betriebsanlagenrecht. Hier sollten Großprojekte prioritär behandelt werden. Die Baurechts-Agenden sollten auch bei Betriebsanlagen von den Bürgermeistern zu den Bezirkshauptmannschaften wandern, die neun österreichischen Bauordnungen sollten zumindest im Betriebsanlagenrecht vereinheitlicht werden.

Ein spezieller Dorn im Auge ist der Industriellenvereinigung das sogenannte "Golden Plating": Österreich neige dazu, in EU-Richtlinien festgelegte Schwellenwerte und Richtwerte nachträglich zusätzlich anzuheben. Das bringe dem Wirtschaftsstandort unnötige Nachteile. Bei Grenzwertfestlegungen solle sich Österreich am europäischen Durchschnitt orientieren und nicht immer Vorreiter spielen, meint Koren.

Eigentlich, so Koren, wäre ja zumindest die Festlegung der Bauordnungs- und Raumordnungskompetenzen Aufgabe des Österreich-Konvents gewesen. Dieser habe die Gelegenheit aber verstreichen lassen, sodass jetzt neue Vorstöße notwendig seien.

Ob sich die Bürgermeister ihre Bauordnungskompetenzen so einfach wegnehmen lassen werden? Koren: "Es gibt viele Bürgermeister, die mit ihrer Bauordnungskompentenz überfordert sind und sie gerne los wären". Schwieriger sei schon die Konzentration der Raumordnungskompetenzen beim Bund. Zur Not würde es aber auch reichen, wenn die Länder in ihrem Gebiet Infrastruktur-Korridore festlegen.

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