„Die Weltbank wird bedeutungslos“

„Presse“-Gespräch mit dem Wirtschaftsexperten Adam Lerrick von der Carnegie-Mellon-Universität. Der Berater des US-Kongresses sieht die Weltbank auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit.

WASHINGTON. Die Diskussion um die Affäre Paul Wolfowitz, der als Weltbank-Präsident seiner Freundin eine außerordentliche Gehaltserhöhung verschafft hatte, wird immer mehr auch zu einer Debatte über die Institution Weltbank. Der amerikanische Wirtschaftsexperte Adam Lerrick meint nun im Gespräch mit der „Presse“, dass die Weltbank irrelevant werde, wenn sie ihre Politik nicht radikal ändert.

„Die Weltbank hat eine sehr wichtige Aufgabe. Aber leider erfüllt sie diese Aufgabe nicht“, sagt Lerrick, der als einer der einflussreichsten Wirtschaftsexperten der USA gilt. Der Professor der Carnegie-Mellon-Universität berät den Wirtschaftsausschuss des US-Kongress und hat somit direkten Zugang zu den Entscheidungsträgern in Washington. 90 Prozent des Geldes, das die Weltbank verleiht, gehe an Länder, „die es gar nicht brauchen“, bemängelt er.

Als die Institution gegründet wurde, habe es noch keine internationalen Finanzmärkte und kaum private Investoren gegeben. „Mittlerweile sind die Kapitalmärkte hundertmal größer als die Weltbank.“ Der Anteil der Finanzmittel, die Länder mit mittlerem Einkommen (die Bank unterscheidet die Welt nach geringem, mittlerem und hohem Einkommen, Anm.) von der Weltbank beziehen, sei in den vergangenen fünf Jahren auf weniger als ein Prozent gesunken. „Die Weltbank wird zu einer bedeutungslosen Geldquelle für ihre größten Darlehensnehmer“.

Arme Länder zahlen zurück

Wie sehr sich die Situation geändert habe, zeige die Entwicklung der vergangenen zehn Jahre. Von 1998 bis 2001 habe die Bank 17 Mrd. Dollar (12,6 Mrd. Euro) an Länder mit mittlerem Einkommen verliehen. Die hätten in den letzten vier Jahren plötzlich 15 Mrd. Dollar zurückbezahlt. Das habe Alarm bei der Weltbank ausgelöst.

„Früher gab es einen großen Zinsunterschied zwischen Weltbank und privaten Kreditgebern. Der ist mittlerweile auf zwei Prozent geschrumpft“, erklärt Lerrick. Dieser Unterschied sei nicht mehr groß genug, damit sich Finanzminister um Hilfe an die Weltbank wenden und sich mit dem Geld die sozialen Agenden der reichen Mitgliedsstaaten der Bank oktroyieren lassen. Auch der zweite große Vorteil, den die Bank einst gehabt habe, schwinde: Nämlich die Vermittlung von Technologien und Wissen. „Sogar in Entwicklungsländern mangelt es nicht mehr an klugen Köpfen. Es gibt nichts, das die Weltbank noch lehren oder vermitteln könnte.“

Den statistischen Rückgang bei der weltweiten Armut führt Wirtschaftsprofessor Lerrick nicht in erster Linie auf die Arbeit der Organisation zurück. „Diese Entwicklung hat vor allem mit China und Indien zu tun – und das ging auf deren Initiative zurück.“

„China braucht Weltbank nicht“

Die Weltbank sei jetzt an einem Scheideweg angekommen. „Wenn sie so weitermacht wie bisher, wird die Weltbank bedeutungslos.“ Die Führung müsse die Politik grundlegend ändern und sich neu ausrichten. „Es ist lächerlich zu sagen, man müsse Geld an China geben, weil es dort arme Menschen gibt. China hat enorm viele Reserven, die paar Milliarden Dollar von der Weltbank sind überflüssig, die braucht man nicht.“

Statt sich weiterhin wie Privatfirmen die kreditwürdigsten Kandidaten, also die Länder mit mittlerem Einkommen, auszusuchen, müsse sich die Bank auf die wirklich armen Länder konzentrieren, wie etwa afrikanische Staaten. „Die Weltbank muss lernen und akzeptieren, dass sie im Entwicklungsgeschäft tätig ist, nicht im Bankengeschäft.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.05.2007)

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