Krebs: Zelltherapie auf Krankenschein?

Biotech. In Krems werden in der Firma Cell Med Körperzellen „umprogrammiert“.

Wien. Das Prinzip, das der Wiener Hormon-Spezialist Johannes Huber seit Jahren predigt, ist faszinierend: Man bringt körpereigene Stammzellen dazu, sich in einen bestimmten Zelltyp zu verwandeln. Damit werde, so erläutert Huber, beim Erwachsenen das wiederholt, was beim Heranwachsen des Menschen im Mutterleib passiert: aus einem einheitlichen Zelltyp werden spezialisierte Zellen, die für bestimmte Aufgaben zuständig sind. Plakativ nannte das Huber „Überleben durch Wiedergeburt“.

Dass das keine wissenschaftliche Träumerei ist, wurde nun in Krems bewiesen. Schwer krebskranken Menschen wurde Blut entnommen, die darin enthaltenen Stammzellen wurden dazu gebracht, sich in sogenannte „dendritische Zellen“ zu verwandeln. Diese Zellen erkennen Krebszellen, markieren diese und geben sie zur Zerstörung durch „Killerzellen“ frei.

Die Krebsabwehr durch dendritische Zellen geschieht tagtäglich in jedem Menschen: entartete Zellen werden – fast immer – erkannt und zerstört. Problematisch wird es, wenn dieses System nicht mehr richtig funktioniert. Mit zunehmendem Alter beispielsweise gibt es immer weniger dendritische Zellen. Die Biotechnologie kann hier Abhilfe schaffen – indem sie dem Körper quasi frische, körpereigene Zellen zuführt.

„Die Zelltherapie wird neben Operation, Bestrahlung und Chemotherapie der vierte Arm der Krebstherapie“, ist Wolfgang Huber überzeugt. Huber – weder verwandt noch verschwägert mit Medizin-Professor Huber, von dem ein Teil des Know-how stammt – ist Geschäftsführer der Kremser Biotech-Firma Cell Med Research, die die Krebs-Zelltherapie bereits in der Praxis durchführt. Und zwar gegen Brust- und Prostatakrebs, in Zukunft vielleicht auch gegen Eierstockkrebs.

Cell Med ist zwar erst acht Monate alt, aber im Unterschied zu anderen jungen Biotech-Unternehmen „schon lebensfähig“, erläutert Geschäftsführer Huber. Im Rahmen von individuellen Heilbehandlungen wurden bereits einige Dutzend Patienten behandelt. Bei einer Studie erhöhte sich die Überlebensdauer von drei bis sechs Monaten auf durchschnittlich 13,3 Monate. Und: „Die Zelltherapie hat keine relevanten Nebenwirkungen“, berichtet Huber. Eine Behandlung schlägt sich mit 14.000 Euro zu Buche, Nulltarif gilt für Teilnehmer an Studien sowie über einen Verein für sozial schwache Patienten. Huber ist überzeugt, dass sich die Zelltherapie als billigste Möglichkeit der Krebsbekämpfung erweist.



„Die Zelltherapie wird neben Operation, Bestrahlung und
Chemotherapie der vierte Arm
der Krebstherapie.“

Wolfgang Huber, Geschäftsführer der Kremser
Biotech-Firma Cell Med Research

Derzeit macht Cell Med einen Umsatz von gut einer halben Mio. Euro, 2009 soll der Umsatz auf drei bis vier Mio. steigen – und einen Gewinn abwerfen. Das war der Vorgänger-Firma von Cell Med, Cell Danube, nicht vergönnt: Diesem Unternehmen, an dem das Land Niederösterreich mit zwei Mio. Euro beteiligt war, war es verboten, die Therapie kommerziell anzuwenden. Die Politik habe Angst vor einer Zwei-Klassen-Medizin gehabt, munkeln Insider.

Gerade das soll die Zelltherapie aber nicht werden, so Huber. Und deshalb bemüht sich Cell Med, dass die Krankenkassen in Zukunft für die Krebs-Impfung bezahlen. Notwendig für die Zulassung ist nun eine weitere klinische Studie, mit der hieb- und stichfest bewiesen wird, dass die Therapie wirkt.

International gibt es derzeit ein wahres Wettrennen bei der Zelltherapie: Ein halbes Dutzend Unternehmen steht vor dem Durchbruch, besonders weit ist die US-Firma Dendreon, die kurz vor der Zulassung durch die US-Behörde FDA steht. Huber ist überzeugt, dass Cell Med technologisch weiter ist als die Konkurrenten. „Um das weltweite Rennen gewinnen zu können, brauchen wir aber eine Anschub-Finanzierung“, sagt er. Konkret: drei Mio. Euro – vor allem für die klinische Studie.

Der Optimismus der Kremser Forscher ist gewaltig. Huber hält es für realistisch, dass es in drei Jahren Krebsbehandlung per Zelltherapie auf Krankenschein geben könnte.

ZELLEN GEGEN KREBS

Gegen Krebs hat der menschliche Körper viele Abwehrmechanismen. Zum Beispiel durch sogenannte „dendritische Zellen“: Diese erkennen entartete Zellen, markieren sie und geben sie zur Zerstörung durch Killerzellen frei.

Tagtäglich werden dadurch im Körper Krebszellen vernichtet. Mit zunehmenden Alter gibt es aber immer weniger dendritische Zellen, immer mehr Krebszellen rutschen durch: Ein Tumor wächst heran.

Biotechnologie kann Abhilfe schaffen: Das Kremser Unternehmen Cell Med Research entnimmt dem Körper Blut, lässt darin enthaltene Stammzellen zu dendritischen Stammzellen heranreifen, die wiederum in den Körper injiziert werden.

Einige Dutzend Patienten wurden bereits erfolgreich behandelt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.05.2007)

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