China: „Jetzt ist es gefährlich“

(c) AP (Hoshiko Eugene)
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Aktienmarkt. Die aktuelle Berg- und Talfahrt lässt bei Experten die Alarmglocken schrillen.

Wien. „Ich finde keine Worte für diesen Markt – er ist einfach verrückt.“ Dieses Zitat stammt von Wu Nan, Analyst bei Xiangcai Securities. Es bezieht sich auf den chinesischen Aktienmarkt in Shanghai, der vergangene Woche eine Berg- und Talfahrt über eine Bandbreite von zehn Prozent hingelegt hat. Für Nan ist der Grund klar: „Das Vertrauen ist weg. Jede kleine Erholung zieht nur eine neue Verkaufswelle nach sich.“

Tatsächlich hat der chinesische Aktienindex SSE Composite seit Jahresbeginn mehr als 50 Prozent zugelegt. Im Vorjahr konnte die Messzahl für den Aktienmarkt in China ihren Wert mehr als verdoppeln. Die Folgen: Chinas Kleinanleger sind auf den Geschmack gekommen, in den ersten vier Monaten des Jahres wurden Tag für Tag mehr als 300.000 neue Aktiendepots eröffnet. Jeder will an der Kursrally teilhaben. Auch die Ausländer. Die Zahl neu aufgelegter Investmentfonds mit Fokus auf China hat in den letzen Jahren deutlich zugenommen.

Angst vor einer Überhitzung

Nun schlagen Experten Alarm. Die chinesische Regierung hat erst kürzlich die Steuer auf den Kauf und Verkauf von Aktien verdreifacht, um einer Überhitzung entgegenzuwirken. „Jetzt ist es gefährlich“, sagt Peter Brezinschek, Chefanalyst bei der RZB zur „Presse“. Der Aktienmarkt in Shanghai habe ein Niveau erreicht, dass eine „neuerliche Korrekturphase“ nahezu unumgänglich mache.

So haben die sogenannten A-shares (das sind jene Aktien, die nicht in Hongkong, sondern am chinesischen Festland gehandelt werden) ein durchschnittliches Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 45. Das KGV gibt an, wie oft der Unternehmensgewinn im aktuellen Kurs enthalten ist. Je höher das KGV, umso „teurer“ ist die Aktie. Zum Vergleich: Die an der Wiener Börse notierten Unternehmen haben im Durchschnitt ein KGV von 14, indische Firmen von 21.

„Diese unglaublich hohe Bewertung bringt eine gefährliche Goldgräber-Stimmung“, sagt Brezinschek. Für ihn sollte das KGV idealerweise dem prognostizierten Wachstum der Unternehmensgewinne entsprechen. Chinas Firmen erwarten für heuer einen Anstieg der Ergebnisse um 26 Prozent. „Und auch hier habe ich meine Zweifel, dass diese Zahl erreicht wird“, sagt der Experte.

Crash im dritten Quartal

Denn Prognose und Realität liegen bei chinesischen Firmen oft auseinander. „Die Transparenz der Unternehmen lässt zu wünschen übrig. Dringend nötige Informationen bekommt man einfach nicht“, sagt Celina Lin, Fondsmanagerin des Spängler Pacific Growth Trust. Deshalb warnt auch sie davor, A-shares in Shanghai zu kaufen. Brezinschek erwartet den nächsten Crash im dritten Quartal. Danach könne man es wieder wagen, einzukaufen. Denn langfristig sieht er großes Potenzial in China. „Die volkswirtschaftliche Entwicklung generell ist ja eine erfreuliche“, sagt er. Daher seien chinesische Aktien auf lange Frist ohne Zweifel interessant.

Was die Auswirkungen der aktuellen „Blase“ in Shanghai auf andere Märkte betrifft, zeigt sich Brezinschek gelassen. „Dafür ist der Markt noch viel zu klein“, sagt er. Die an der Börse Shanghai notierten Unternehmen haben einen Börsewert von rund 900 Mrd. Dollar. Das entspricht in etwa der Marktkapitalisierung der russischen Börse. An der New York Stock Exchange beispielsweise sind die gelisteten Unternehmen 17.400 Mrd. Dollar „schwer“.

Das geringe Gewicht der Börse Shanghai habe auch die vergangene Woche gezeigt, sagt der Analyst. Am Montag brach der SSE Composite um acht Prozent ein, an den Weltbörsen folgten „gemäßigte“ Kursverluste von ein bis zwei Prozent. Diese setzten sich die ganze Woche fort, während Shanghai die Verluste im Laufe der Woche wieder wettmachte.

„Mit dem Aktienkauf warten“

„Viel wichtiger als die Entwicklung der asiatischen Märkte ist die Tatsache, dass die risikolose Anlage echte Konkurrenz zu den Aktien bildet“, sagt Brezinschek. Damit spielt er auf die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank an. Die EZB hat die Zinsen vergangene Woche auf vier Prozent erhöht, noch heuer werden weitere Erhöhungen erwartet. Zusätzlich äußerte sich der Chef der US-Notenbank Fed, Ben Bernanke, pessimistisch zur US-Wirtschaft. Brezinschek rät, momentan die Finger von Aktien zu lassen: „Ich würde warten und den späten Sommer zum Einkaufen verwenden.“

AUF UND AB

Der SSE Composite Index in Shanghai schwankte innerhalb von einer Woche über eine
Bandbreite von zehn Prozent.

Der Markt sei überhitzt, sagen Experten. Sie raten, mit dem Aktienkauf zuzuwarten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.06.2007)

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