EU-Entwicklungshilfe ist „fürchterlich“

(c) EPA (Jayanta Dey)
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Mikrokredite. Entwicklungshilfe-Agenturen geben Kleinbanken billige Darlehen – und verdrängen private Anbieter vom Markt, kritisiert ein Mikrokredit-Experte. Österreichs Außenministerium macht bei dieser Politik mit.

WIEN. Seit der Bangladescher Muhammad Yunus 2006 den Friedensnobelpreis für seine Grameen-Bank erhielt, ist die Idee der „Mikrofinanz“ auch der breiteren Öffentlichkeit bekannt. Das Konzept ist bestechend einfach: Arme Menschen in Entwicklungsländern bekommen keine Kredite, da sie keine Sicherheiten vorweisen können. Wenn sich aber die Bewohner eines Dorfes oder Stadtviertels (also auch die etwas besser Gestellten) zusammentun und eine Genossenschaftsbank gründen, fällt das Problem des fehlenden Pfandes weg: Schließlich kennt man seinen Nachbarn. Und gibt ihm unbesicherten Kredit. So ermöglicht eine Handvoll Dollar den Schritt ins Unternehmertum – und aus der Armut.

„Die picken die Rosinen heraus“

Rund 40 Millionen Menschen sind bereits Mikrofinanzkunden. Neben Banken und Fonds aus dem reichen Norden investieren auch die wichtigsten Entwicklungshelfer der Welt (EU, Weltbank, staatliche Agenturen) in Mikrofinanzfirmen. Ist das sinnvoll? „Nein. Die internationalen Finanzinstitutionen picken sich die Rosinen heraus und wollen Mikrokredite in ihrem Portefeuille, weil dieses Thema so populär ist und sie gegenüber der Öffentlichkeit unter Rechtfertigungszwang stehen“, sagt der Ökonom Damian von Stauffenberg. Der Deutsche arbeitete früher bei der Weltbank und gründete 1996 MicroRate. Diese Agentur untersucht die Bonität von Mikrofinanzfirmen.

Im Gespräch mit der „Presse“ skizziert Stauffenberg den fatalen Zusammenhang zwischen öffentlicher Meinung, fachlicher Unkenntnis und dem Schaden, den die Entwicklungshelfer an der Mikrofinanz verursachen. Staatliche Entwicklungsbehörden stehen unter doppeltem Zwang: Sie müssen ihre Budgets im Jahrestakt verbrauchen und mit diesem Geld möglichst öffentlichkeitswirksame Projekte bezahlen. Darum sind Kredite an Mikrokredit-Institute ideal für sie. Ein Darlehen an eine bolivianische Mikrobank mit zehn Jahren Laufzeit zum attraktiven Zinssatz von fünf Prozent ist als „Offizielle Entwicklungshilfe“ im Sinne der OECD-Anforderungen verbuchbar. Das freut die zuständigen Politiker und Bürokraten, die sich auf internationalen Konferenzen rühmen können, dass ihr Land so und soviel von seiner Wirtschaftsleistung für Entwicklungshilfe ausgibt.

Ärgerlich nur, dass diese staatliche Entwicklungshilfe privat finanzierte Mikrobanken mit Dumping-Konditionen aus dem Markt drängt. Und das schadet den Kunden der Mikrobanken. Besonders deutlich zeige sich dies in Afrika, sagt Stauffenberg: „Je mehr ein Mikrofinanzanbieter dort von Entwicklungshilfe abhängig ist, desto ineffizienter ist er organisiert.“ Das ist logisch: Denn eine vom Norden gesponserte Bank muss nicht um Kunden werben, deren Einlagen sie in weiterer Folge als Mikrokredite vergeben kann.

„Geld ist nicht das Wichtigste“

„Geld ist nicht die wichtigste Komponente, um Mikrofinanz zu organisieren. Das ist natürlich fatal die für Entwicklungshelfer, die ihr Tun in Geld messen“, sagt Stauffenberg. Wichtiger sei die Ausbildung von Beamten in der Bankenaufsicht oder die Hilfe beim Verfassen moderner Finanzaufsichtsgesetze. Denn in vielen Entwicklungsländern schreiben die Bankaufsichtsgesetze vor, dass Banken Darlehen nur gegen sehr große Sicherheiten vergeben dürfen. „Das tötet die Mikrofinanz“, sagt Stauffenberg.

„Vor der EU in Deckung gehen“

Besonders schädlich agiere die EU: „Ihre Programme für Mikrofinanzinstitute sind fürchterlich. Da kann man nur in Deckung gehen, wenn man so einem Projekt begegnet.“ EU-Kommission und EU-Entwicklungshilfeagentur EuropeAid hätten kaum Mitarbeiter, die sich im Bankwesen auskennen, aber viel Geld zur Verfügung.

Österreich solle „der Versuchung widerstehen, sich als Nr. 25 in der Schlange der Mikrokredit-Financiers anzustellen.“ Die Austrian Development Agency, die zum Außenministerium gehört, tut das Gegenteil: Im Mai kündigte sie zwei Kredite über je 250.000 Euro an Mikrobanken in Senegal und Burkina Faso an. „Zinsgünstig“, versteht sich. Meinung: Seite 31

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.10.2007)

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